199 Geiseln hält die Hamas bei sich gefangen. Auch viele Palästinenser kämpfen ums Überleben. Foto: dpa/Mohammed Talatene

Bei einem Großangriff vor einer Woche hat die radikalislamische Hamas fast 200 Geiseln genommen. Derweil kämpfen auch rund eine Million vertriebene Palästinenser im Gazastreifen ums Überleben.

Die radikalislamische Hamas hat bei ihrem Großangriff auf Israel vor über einer Woche 199 Menschen als Geisel genommen und in den Gazastreifen verschleppt

„Wir haben die Familien von 199 Geiseln informiert“, sagte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari am Dienstag vor Journalisten. Am Sonntag hatte Israel die Zahl der verschleppten Geiseln noch mit 155 angegeben. 

Es gibt kein Essen

Indes kämpfen viele Palästinenser im Gazastreifen um ihr Überleben. „Es gibt kein Essen und wir haben seit Tagen nicht mehr geduscht“, sagt Ahmed Hamid. Der 43-Jährige ist mit seiner Frau und den sieben Kindern vor den israelischen Angriffen aus Gaza-Stadt geflohen. Doch auch in Rafah im Süden des Gazastreifens muss die Familie ums Überleben kämpfen. „Die einzigen Lebensmittel, die wir finden konnten, sind Thunfisch in Dosen und Käse“, klagt der Familienvater.

Etwa eine Million Palästinenser wurden nach Schätzung der UNO vertrieben, seit Israel als Vergeltung für den grausamen Überfall der Hamas am 7. Oktober mit schweren Luftangriffen auf den Gazastreifen begann. Die radikalislamische Palästinenserorganisation tötete auf israelischer Seite mehr als 1400 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. Auch von den 2750 getöteten Palästinensern sind die meisten keine Hamas-Kämpfer.

Rund eine Millionen Palästinenser wurden im Zuge des Krieges vertrieben

Israel kappte die Wasser-, Strom- und Lebensmittelversorgung des dicht besiedelten Küstenstreifens. „Das Schlimmste und Gefährlichste ist, dass es kein Wasser gibt“, sagt Sabah Masbah, die mit 21 Verwandten im Haus eines Freundes in Rafah Zuflucht gefunden hat. „Keiner von uns badet mehr, weil das Wasser so knapp ist“, sagt die 50-Jährige.

„Wasser ist ein Problem“, sagt auch der 23 Jahre alte Assem, der in seinem Haus in Chan Junis, knapp zehn Kilometer nördlich von Rafah, Flüchtlinge aus Gaza-Stadt aufgenommen hat. „Jeden Tag denken wir darüber nach, wie wir Wasser sparen können. Duschen wir, haben wir kein Wasser zum Trinken.“

Kein Wasser, kein Strom, keine Verbindung zur Außenwelt

Tausende Menschen aus dem Norden des Gazastreifens sind nach Rafah und Chan Junis geflüchtet. Viele, die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen, schlafen in den Gärten von Krankenhäusern und in den Schulen der UN-Hilfsorganisation UNRWA.

Mona Abdel Hamid aus Gaza wollte eigentlich bei Angehörigen in Rafah bleiben, doch jetzt haben Fremde sie aufgenommen. „Ich fühle mich erniedrigt und beschämt. Wir haben nicht viel Kleidung, das meiste ist schmutzig und es gibt kein Wasser zum Waschen“, sagt die 55-Jährige. „Kein Strom, kein Wasser, kein Internet. Ich habe das Gefühl, dass ich meine Menschlichkeit verliere.“

Am Sonntag erklärte Israel, den Süden des Gazastreifens wieder mit Wasser zu versorgen. Die Gemeinde Bani Suhaila nahe Chan Junis bestätigte dies; ob andere Orte im Süden auch wieder Wasser haben, war zunächst unklar.

Offenbar in Vorbereitung einer Bodenoffensive gegen die Hamas rief die israelische Armee die etwa 1,1, Millionen Zivilisten im Norden des Gazastreifens auf, sich unverzüglich im Süden in Sicherheit zubringen. Dennoch wurden am Sonntag auch Ziele in Rafah und Chan Junis bombardiert.

Kritik an Israels Vorgehen

„Schauen Sie sich diese gewaltige Zerstörung an“, schreit Alaa al-Hams und zeigt auf die Trümmer eines Hauses in Rafah. „Sie behaupten, dass es hier Terroristen gibt. Aber das waren alle Zivilisten, die keiner Gruppierung angehören. Jetzt sind sie alle tot“, empört sich al-Hams. „Wo bleibt die Menschlichkeit, von der sie reden?“

Samira Kassab steht inmitten der Ruine ihres Hauses in Rafah. „Unser Zuhause wurde bombardiert, uns ist nichts geblieben. Meine Tochter hat Krebs, aber ich kann sie nicht ins Krankenhaus bringen. Und ich selbst leide an Bluthochdruck und Diabetes“, sagt sie.

Doch dann zeigt die Großmutter, umgeben von ihren Enkeln, das Victory-Zeichen und ruft kämpferisch: „Ich werde nicht weggehen, egal was passiert, selbst wenn ich sterben muss. Wir verzichten nicht auf ein Fitzelchen unseres Landes!“ shm/ck/cp