Weihnachten am Fenster: In der Obdachlosenunterkunft im Moldengraben gab’s Essen und Geschenke. Foto: Peter Mann

Auf eine Feier für die Bewohner der Obdachlosenunterkunft hat die Diakonie 2021 verzichtet.

Kornwestheim - O du fröhliche“, erklingt aus dem CD-Spieler, den Susanne Bührer-Gritz und Liane Liepold vor die Tür gestellt haben. „Alle Jahre wieder“ ist zu hören und „Morgen, Kinder, wird’s was geben“. Das allerdings stimmt nicht. Heute Abend gibt’s was – und zwar ein warmes Essen aus dem Fenster rechts neben dem Eingang und ein Weihnachtsgeschenk aus dem linken Fenster. Die Sozialdiakonie hat eingeladen – leider nicht zur Weihnachtsfeier, sondern „nur“ zur Essensausgabe und Geschenküberreichung.

Dass sie nicht gemeinsam Weihnachten feiern können, das bedauern die Beteiligten zutiefst – zuvorderst natürlich die Bewohnerinnen und Bewohner der Obdachlosenunterkunft und der Sozialwohnungen im Moldengraben, für die die Feier im Philipp-Matthäus-Hahn-Gemeindehaus ein Höhepunkt des Jahres war. „Für manche sogar der Höhepunkt“, sagt Sozialarbeiterin Liane Liepold, die sich seit vielen Jahren um die im Moldengraben Gestrandeten kümmert. Für ein paar Stunden konnten sie ihre Zuhause verlassen, gemeinsam am großen Tisch essen, Gespräche führen und – laut Liane Liepold ganz wichtig – Weihnachtslieder singen. Frühere Bewohner waren eingeladen und feierten mit, die Oberbürgermeisterin schaute stets vorbei und plauderte mit den Gästen. Was die Feier ausgemacht habe, das seien die Gespräche auf Augenhöhe gewesen, berichtet Liane Liepold. Und sie hofft natürlich, dass es die Weihnachtsfeiern in alter Form auch wieder geben wird. In diesem Jahr allerdings ist das wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. Sicherheit geht vor.

Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr

Deshalb haben Susanne Bührer-Gritz und Liane Liepold Mahlzeiten bestellt, die jeder in seinen Räumlichkeiten zu sich nehmen kann. An der Essensausgabe im Fenster: Oberbürgermeisterin Ursula Keck und Kirchenpfleger Tobias Laufs. Gegen 18.15 Uhr werden die Aluschachteln mit wahlweise Rinderbraten und Spätzle oder einem vegetarischen Essen angeliefert und schon kommen auch die ersten Bewohner, um sich ihre Boxen abzuholen. „Fleisch oder vegetarisch?“, fragt die OB. Die Männer antworten gerne mit einem „Fleisch natürlich“. Vegetarisches Essen, das ist nicht ihrs.

Die Aluboxen sind extrem heiß, aber die Bewohner aus dem Moldengraben sind nach den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr, als die Weihnachtsfeier auch schon wegen der Corona-Pandemie ausfallen musste, gerüstet. Sie bringen Topflappen oder Trockentücher mit oder ziehen ihre Pulloverärmel in die Länge. Alle stehen geduldig an, niemand meckert – trotz der Umstände ist’s gleichwohl eine feierliche Stimmung zwischen den Containerbauten. „Guten Appetit und frohe Weihnachten“, wünscht die OB, bevor der nächste an der Reihe ist.

Tobias Laufs ist für den Nachtisch verantwortlich. „Vanille oder Schokolade?“, lautet seine Frage zum Pudding. Schokolade ist eindeutig der Favorit. Im linken Fenster geben Pfarrerin Stefanie Henger und Sozialarbeiterin Susanne Bührer-Gritz die Weihnachtsgeschenke aus – Müslischalen, Kleinigkeiten zum Frühstück und ein Stern mit einem weihnachtlichen Spruch.

Angebote fallen aus

Nicht nur die Weihnachtsfeier ist der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Auch andere Angebote könnten nicht wie gewohnt stattfinden, berichtet Liane Liepold. Das Männertreffen fällt derzeit ebenso aus wie das Frauenfrühstück. Für manche sei das bitter. „Für einige ist das der einzige Kontakt, den sie haben“, berichtet die Sozialarbeiterin. Insgesamt sei die Kommunikation wesentlich schwieriger geworden – nicht nur untereinander, sondern beispielsweise auch mit den Ämtern, die mit den Bürgerinnen und Bürgern immer häufiger digital kommunizieren wollen. Leichter gesagt als getan: Die Obdachlosenunterkunft hat kein W-Lan.

Nach gut einer Stunde sind die Essen und die Geschenke verteilt. Mehr als ein kleiner Small Talk war durchs Fenster nicht drin. Schön, dass aber wenigstens das ermöglicht wurde.