Im Saal statt im Livestream: Die Sitzung des Kornwestheimer Gemeinderats. Foto: Dominik Florian

Die Kommunalpolitik in Kornwestheim und Remseck entscheidet sich gegen Livestreams.

Kornwestheim - Der FDP-Stadtrat Ender Engin versuchte noch, die übrigen Kommunalpolitiker davon zu überzeugen, dass Livestreams aus dem Kornwestheimer Gemeinderat eine gute Idee seien. Man solle keine Angst vor Veränderungen haben, sagte er. Und: Ob sich die Redekultur im Gremium aufgrund von Liveübertragungen verschlechtere, „das liegt ja in unserer Hand.“ Auch warf er in den Raum, man könne zunächst einen Probezeitraum definieren und bat Oberbürgermeisterin Ursula Keck um eine entsprechende Änderung des Antrags.

Lesen Sie zum Thema: Das emotionale Thema Livestream

Am Ende nutzte das nichts: In ihrer jüngsten Gemeinderatssitzung sprach sich eine klare Mehrheit der Stadträte und Stadträtinnen gegen die Livestreams aus (neun dafür, zwölf dagegen, drei Enthaltungen). Die Hauptargumente gegen die Streams waren bereits bekannt, es hatte sich abgezeichnet, dass die FDP ihren Antrag nicht würde durchbringen können. Man befürchtete, dass die Diskussionskultur verarme. Auch war die Sorge, dass Teile von Gemeinderatsdebatten im Internet verfremdet, gar als Propaganda verwendet werden könnten. „Wenn zum Beispiel jemand sagt, die Nationalsozialisten sind super scheiße, und jemand hinter ‚super‘ schneidet...“, nannte der Freie Wähler-Stadtrat Markus Kämmle ein Beispiel.

Verzerrtes Bild der Debatten

Der CDU-Stadtrat Hans-Joachim Schmid betonte: „Zu unseren Sitzungen kann ja jeder kommen und sich Zeit dafür nehmen, wir nehmen uns ja auch Zeit.“ CDU-Fraktionsvorsitzender Hans Bartholomä ergänzte, er fürchte, „Emotionalität und Authentizität“ gingen verloren. Zwar gab es auch quer durch die Fraktionen Stimmen, die den FDP-Antrag in positiverem Licht sahen: Florian Wanitschek (SPD) befand, man könne einen Probelauf durchaus unterstützen. Der Grüne Fraktionschef Thomas Ulmer sagte: „Ich hätte kein Problem damit, gefilmt zu werden – allerdings werden wir Grünen uneinheitlich abstimmen.“ Er schlug ergänzend vor, auf die Schulen zuzugehen, um Kindern und Jugendlichen kommunalpolitische Arbeit und die dortigen Entscheidungsprozesse näherzubringen – etwa über den Unterricht und Besuchen im Gremium. Sven Waldenmaier (CDU) betonte, er sähe in Streams eine Chance – sagte aber auch, dass die Wertschätzung derer wichtig sei, die eben nicht gesendet werden wollen. Und hier zeigte sich dann eben auch die Krux: Selbst wenn der FDP-Antrag eine Mehrheit gefunden hätte. Aus Gründen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte hätten jene Stadträte am Ende herausgeschnitten und stumm geschaltet werden müssen, die eben nicht im Netz erscheinen wollen – was eine Debatte durchaus verzerren kann.

„Aufwand und Ertrag passen nicht zusammen“

Auch die Stadt Remseck verzichtet übrigens auf eine regelmäßige Übertragung ihrer Ratssitzungen. Ein Antrag der Grünen im Rahmen der Haushaltsberatungen fand keine Mehrheit. Wobei die Entscheidung ausgesprochen knapp ausfiel: Elf Ja- standen zwölf Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen gegenüber. „Aufwand und Ertrag passen nicht zusammen“, argumentierte OB Dirk Schönberger gegen eine Übertragung. Man sollte das auf die Fälle von den ganz großen und wichtigen Themen beschränken.

Steffen Kirsch, Chef der CDU-Fraktion, äußerte die Sorge, dass einzelne Redebeiträge dem Kontext entzogen und zweckentfremdet werden könnten. Zudem habe sich andernorts gezeigt, dass das Interesse überschaubar ist. „Es liegt an uns, das entsprechend interessant zu machen“, meinte FDP-Stadtrat Kai Buschmann. Er sieht die Übertragung als „wesentlichen Beitrag zu mehr Öffentlichkeit und Transparenz. Patrick Wagner sah in der Übertragung auch die Chance für die Stadtverwaltung, sich in der Medienarbeit weiterzuentwickeln. Gegenstimmen kamen insbesondere aus den Reihen der CDU und Freien Wähler. Siehe Kommentar