Beim ersten Radkongress des Landes geht es um die Mobilität der Zukunft. Auch prominente Gäste diskutieren im K mit Hunderten von Teilnehmern.
Kornwestheim - Auf dem Kornwestheimer Marktplatz gab es am Montagvormittag für Passanten einiges zu sehen: Zum einen wurde der Weihnachtsbaum nebst einem Kran für den Transport auf das Rathausdach bereitgemacht, zum anderen standen gleich daneben zwei metergroße Fahrradskulpturen. Auch die Fahrradständer vor dem K waren besser gefüllt als an einem gewöhnlichen Wochenstart. Und das hatte einen guten Grund: Im K fand über den gesamten Tag der erste Radkongress Baden-Württemberg statt, der vom Verkehrsministerium veranstaltet wurde.
Mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Interessenverbänden waren gekommen, darunter viele junge Leute. Unter dem Slogan „Auf dem Weg zum Pedelec-Land“ waren auch zwei prominente Politiker dabei: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann. Im Mittelpunkt standen die Fragen, welche Rolle dem Fahrrad und speziell dem Pedelec im alltäglichen Verkehr zukommt und wie sich der entwickeln soll.
Dass gerade in Ballungsräumen wie der hiesigen Region das Rad künftig eine größere Rolle spielen sollte, betonte der Landesvater, denn eine Verkehrswende ist nach Ansicht von Kretschmann nicht nur von durchschlagender Bedeutung für den Kampf gegen den Klimawandel. Das Fahrrad als Fortbewegungsmittel sei besonders in staugeplagten Regionen wie dem Großraum Stuttgart wichtig, wo es dem Auto in puncto Schnelligkeit überlegen sei. „Das Rad hat eine zentrale Rolle bei der Mobilitätswende“, sagte der Ministerpräsident bei seiner Rede vor den Teilnehmern des Kongresses. Die Pedelecs seien die Treiber des Fahrradboomes. Mit Maßnahmen will das Land gezielt die Infrastruktur verbessern, zum Beispiel durch den Bau von Radwegen an Bundes- und Landesstraßen, aber auch durch neue Schnell-Radwege, die der Ministerpräsident als „geniale Idee“ bezeichnete. Der Kreis Böblingen wurde jetzt beim Radkongress für den landesweit ersten Schnellweg mit dem ersten Platz des Landespreises „Neue Wege schaffen“ ausgezeichnet. Kretschmann räumte jedoch ein, dass die Umsetzung solcher Trassen gerade in stark bebauten Gebieten wie der Region Stuttgart schwierig sei.
Verkehrsminister Hermann sprach über das Ziel, den Anteil des Radverkehrs bis 2030 zu verdoppeln – sowohl in den großen Orten als auch in der Fläche. Städte und Gemeinden könnten sich für Fördermittel bewerben. Das Problem, wie mehr Platz für den Radverkehr geschaffen werde, müsse jedoch kommunal ausgefochten werden. „Unser Ziel muss es auch sein, dass wir das Radfahren mit anderen Verkehrmitteln wie dem öffentliche Nahverkehr zu verbinden“, hob der Minister hervor.
In Kornwestheim jedenfalls wurde schon einiges dafür getan, sagte Oberbürgermeisterin Ursula Keck im Gespräch mit unserer Zeitung. „Für mich ist das aber erst der Anfang, wir müssen noch viele Dinge machen.“ Das Thema Radverkehr erfahre insgesamt eine höhere Akzeptanz als früher. Wichtig sei es, diese auch bei den Autofahrern hervorzurufen, um die gegenseitige Rücksichtnahme zu steigern. An einigen Stellen seien die innerörtlichen Verbindungen im Radwegenetz schon verbessert worden. Zum Beispiel seien in der Ludwigsburger Straße eine Aufstellspur für Radfahrer eingerichtet und unter anderem in der Friedrich-Siller-Straße überfahrbare Markierungen für den Radverkehr angebracht worden. Für die kommenden Jahre sind weitere Maßnahmen geplant. So sollen an städtischen Einrichtungen wie an Kitas und der Theodor-Heuss-Schule zusätzliche oder neue Radständer und Abstellmöglichkeiten geschaffen werden. Auch sei es notwendig, die Schulwege sicherer zu machen, sagte Keck.
Die Oberbürgermeisterin freute sich darüber, dass die Premiere des Kongresses im K stattfand. „Kornwestheim ist die ideale Fahrradstadt“, meinte sie. Die OB ist bekennende Fahrradfahrerin und selbst darauf bedacht, kurze Wege möglichst zu Fuß oder auf zwei Rädern zu absolvieren, erklärte sie in ihrer Eröffnungsrede. Dabei erzählte sie eine Anekdote: Einmal sei sie den 700 Meter langen Weg von ihrem Zuhause zum Rathaus ohne Helm gefahren, und gleich „haben sich drei Bürger im Rathaus gemeldet, die das beobachtet haben“, verriet Keck. „Der Frisur wegen“, gestand die OB, habe sie auf den Schutz verzichtet, gelobte aber Besserung.
Um die Mobilität auf zwei Rädern, ob mit Muskelkraft oder elektrischer Unterstützung, ging es auch bei Vorträgen und einer Podiumsdiskussion im K. Der Radmobilität solle „den Stellenwert bekommen, den sie verdient“, forderte Jürgen Odszuck, Erster Bürgermeister Heidelbergs und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen (AGFK).
Gesucht wurden in acht Workshops Ideen für die Zukunft. Moderatorin Barbara Hahlweg, Nachrichtensprecherin der ZDF-Sendung „Heute“ und selbst passionierte Radfahrerin, regte die Kongressteilnehmer an, die Veranstaltung dazu zu nutzen, Lösungen und Wege zu finden, um das Zweirad als noch wichtigeres Verkehrsmittel zu etablieren.