Beim jüngsten EU-Gipfel waren Griechenland und die Sanktionspolitik gegenüber Russland Thema. Foto: EPA

Beim jüngsten EU-Gipfel hat die Union eine gemeinsame Linie gefunden hat. Nun müssen die Länder gemeinsam etwas leisten, meint unser Brüssel-Korrespondent Detlef Drewes.

Brüssel - Europa hätte zweifellos etwas anderes gebraucht als die unausgesprochene Beschlagnahme des jüngstens EU-Gipfels durch Griechenland. Dann wäre vielleicht die überraschende Botschaft noch deutlicher geworden, die zwischen den übrigen Themen nur ansatzweise durchsickern konnte: dass die Union eine gemeinsame Linie gefunden hat, die noch vor wenigen Monaten undenkbar gewesen zu sein schien.

Zwar ist die Sanktionspolitik gegenüber Moskau weiter umstritten, dennoch ist man sich einig, die Strafen notfalls durchzuziehen, und geht nun sogar den Schritt  in eine Energie-Union, um von Russland unabhängig zu werden. Nicht wenige fluchen über die strengen Auflagen zur Haushaltskontrolle – sie wurde trotzdem bekräftigt.

Das amerikanisch-europäische Freihandelsabkommen TTIP bleibt ein öffentlicher Zankapfel, doch man betont den Willen zur Vollendung. Und selbst in der Griechenland-Frage musste der Athener Premier feststellen, dass er beim Versuch, die Partner auf Chefebene zu vereinnahmen, nicht weiterkommen wird. Selbst wenn man, beispielsweise in der Frage des Freihandels, völlig anderer Meinung als Brüssel sein mag, so ist die Geschlossenheit der 28 ein wichtiges Signal.

Denn die Krisen, die diese Gemeinschaft umgeben, hätten eigentlich genug Streitpotenzial, um die Partner mit unterschiedlichen Interessen zu spalten. Bisher konnte genau das aber vermieden werden. Weil der Druck von außen immer größer wird. Weil man sich sowohl wegen der großen Zahl von Flüchtlingen als auch wegen der Bedrohung durch den Terror zusammenschließen muss.

Frieden bleibt bedroht - von außen und innen

Dahinter steckt nicht zuletzt die fundamentale Erfahrung, dass Frieden als zentrales Thema des Zusammenhalts keineswegs überholt ist. Er bleibt bedroht – von außen und von innen. Die einst selbstverständliche Gewissheit, dass die Mitgliedstaaten nichts aus der Ruhe bringen muss, ist dahin.

In dieser Situation darf die EU sich nicht länger mit der Nabelschau beschäftigen. Wenn die Heizungen kalt werden könnten, wenn eine ganze Generation von Menschen ohne Zukunftsperspektive bleibt oder der islamistische Terrorismus nahezu ungehindert in Europa einfällt, muss die Gemeinschaft sich auf sich besinnen.

Dazu braucht es Einigkeit. Wer spricht heute noch von der Gefahr eines britischen Austritts, obwohl in wenigen Wochen auf der Insel gewählt wird? Natürlich ist die Wahl für Europa ein Risiko – aber Europa hat größere Probleme. Was nun notwendig ist, sind spürbare Signale. Das 315-Milliarden-Investitionsprogramm der EU-Kommission muss endlich zünden, um den sozialen Frieden zu bewahren. Die Ukraine-Krise muss deeskaliert werden, um Ruhe an der neuen Ost-Front zu bekommen. Und bei TTIP wird die EU zeigen müssen, dass die Befürchtungen der Menschen ernst genommen werden.

Seit der Europawahl und der anschließenden personellen Neuordnung der Union ist viel geredet, aber wenig bewirkt worden. Das mag notwendig gewesen sein, aber die Menschen wollen sehen, dass Probleme gelöst werden. Die weitgehende Einigkeit beim jüngsten Gipfel ist begrüßenswert. Aber wenn sie nicht durch Erfolge und konkrete Verbesserungen ergänzt wird, bleibt die Idee von Europa trotzdem auf der Strecke. Ein Scheitern im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, ein Abschied Griechenlands aus der Euro-Zone, ein Versagen in der zentralen Frage der Energieversorgungssicherheit – all das wären katastrophale Rückschläge, die sich die Europäische Union nicht leisten kann. Die Gemeinschaft ist jetzt zum Erfolg verdammt.