Kennen sich und schätzen sich: CDU-Chef Thomas Strobl (links) und Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann Foto: dpa

Kretschmann und Wolf, Murawski und Löffler: Bei den Koalitionsverhandlungen für Grün-Schwarz treffen in den Arbeitsgruppen einige Politiker aufeinander, die sich nicht immer grün waren.

Stuttgart - Parlamentsbesucher zeigen sich bisweilen irritiert über den Umgang von Politikern untereinander. Da beharken sich zwei Kontrahenten herzhaft am Rednerpult – und kurz danach sieht man sie beim freundlichen Plausch in der Lobby. Dass professionelle Politik auch ein Rollenspiel ist, das nicht zwingend zu den Menschen dahinter passt, ist schwierig zu begreifen – auch für die Politiker selbst.

Das zeigt sich wie unter einem Brennglas bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen, wo Vertreter von Grünen und CDU gerade auf Tuchfühlung gehen. „Sie haben mich noch nie so freundlich angelächelt wie heute“, sagt die CDU-Verkehrspolitikerin Nicole Razavi während einer Verhandlungspause zum Grünen-Fraktionsvize Uli Sckerl. Und der entgegnet huldvoll: „Ich bin doch ein ganz Lieber.“ Der Dialog rührt umso mehr, wenn man weiß, dass sowohl Sckerl als auch Razavi der Ruf einer gewissen Bärbeißigkeit vorauseilt. Aber vielleicht haben sich beide bisher ja nur in einer Rolle gekannt.

Koalitionsverhandlungen darf man sich jedenfalls als eine Art Big Brother vorstellen: Menschen sind in kleinen Räumen zusammengepfercht, wo sie tage-, ja mitunter nächtelang verbales Fingerhakeln betreiben. Das zerrt an den Nerven. Oder es beflügelt. Oder es langweilt. Zwar darf man den Unterhändlern so viel Professionalität unterstellen, dass sie Sympathie von der Sache zu trennen wissen. Trotzdem ist die Frage nicht trivial, wie und wo es da menschelt. Denn ein gutes Verhandlungsklima ist die Basis eines guten Kompromisses.

Kretschmann und Wolf werden keine Freunde mehr

Dass – um oben zu beginnen – Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Wahlkampf-Widerpart Guido Wolf traute Freunde werden, darf wohl niemand erwarten: Es funkt nicht. Da mögen die beiden Oberschwaben noch so viel Froschkuttelsuppe zusammen essen und während der Fasnacht Polonaise tanzen: Sie bleiben auf Distanz. Die nonverbale Kommunikation zwischen Kretschmann und CDU-Landeschef Thomas Strobl hingegen fällt dagegen fast schon herzlich aus. Da scheint etwas geblieben zu sein aus der Zeit, als Strobl Generalsekretär und Kretschmann Fraktionschef war, und sich beide immer mal wieder zum Gedankenaustausch trafen.

Viel spannender wäre es jedoch, die Unterhändlerinnen und Unterhändler bei der Arbeit zu beobachten. Zumal man von einigen weiß, dass sie sich bis vor kurzem in herzlicher Abneigung begegnet sind. In der Arbeitsgruppe 4 zum Beispiel, jene zum Thema Verkehr, trifft Nicole Razavi auf Noch-Verkehrsminister Winne Hermann. Beide haben sich in den vergangenen Jahren derart ineinander verbissen, dass der Grüne ernsthaft eine Verleumdungsklage gegen die CDU-Frau erwog, die ihm Günstlingswirtschaft vorgeworfen hatten. Wer es sich mit Razavi derzeit verderben will, der fragt sie, ob sie sich vorstellen kann, Staatssekretärin unter Hermann zu werden.

Schön zu beobachten wäre auch, wie sich Staatskanzleichef Klaus-Peter Murawski und der Noch-Abgeordnete Reinhard Löffler in der AG 7 (Finanzen und Wirtschaft) vertragen. Denn der Stuttgarter CDU-Mann wollte dem Grünen einige Male ans Leder – politisch natürlich. Murawski sitzt gleich in mehreren Arbeitsgruppen. Seine Neigung, in langen Monologen die Welt zu erklären, könnte einige seiner Gegenspieler zum Widerspruch reizen – etwa CDU-Bezirkschef Thomas Bareiß.

Noch mehr pikante Paarungen

Pikante Paarungen gibt es noch einige. So trifft in AG 6 (Agrar) der CDU-Landwirt Karl Rombach – er hat gerade sein Direktmandat im Schwarzwald verloren – auf Grünen-Agrarminister Alexander Bonde. Die Bildungsexperten wiederum sind unter anderen in der Konstellation Karl-Wilhelm Röhm (CDU) / Sandra Boser (Grüne) vertreten. Beide haben sich mit Lust im Landtag beharkt. Auch in der AG 5 „Umwelt“ dürfte es munter werden, wo so unterschiedliche Typen wie der Tübinger OB Boris Palmer (Grüne), der Alb-Donau-Landrat Heinz Seiffert (CDU) und die Grünen-Parteilinke Sylvia Kotting-Uhl, MdB, aufeinandertreffen.

Palmer betonte allerdings nach der ersten Sitzung, die Atmosphäre sei locker und freundlich gewesen. Womöglich schlummern die menschlichen Konflikte ja gar nicht so sehr zwischen Grünen und Schwarzen, sondern zwischen Parteifreunden untereinander. So wetteifern dem Vernehmen nach Peter Hauk und Friedlinde Gurr-Hirsch (beide CDU) in der AG Agrar auffallend um die besten Wortbeiträge. Hauk war Agrarminister, Gurr-Hirsch, so hört man, will es werden.