Das Landen auf Kunststoffmatten sind Skispringer gewöhnt. Foto: imago/ /Mateusz Birecki

Der Klimawandel zwingt Sportler zu Umstellungen. Derzeit gehen Spitzenathleten des Skispringens bei den European Games, einem Sommersport-Festival, an den Start. Womöglich steht sogar der Abschied von den olympischen Winterspielen bevor.

Keine Frage: Innovationsfreudig sind sie bei diesen European Games rund um das polnische Krakau (21. Juni bis 2. Juli). So steht Teqball im Programm, eine wilde Mischung zwischen Fußball und Tischtennis. Gespielt wird auch Padel, die weltweit am schnellsten wachsende Racket-Sportart, die als Fusion aus Tennis und Squash daherkommt. Und die Fans können im Muay Thai, dem oft brutal wirkenden Nationalsport Thailands, die besten Kämpfer des Kontinents live erleben.

Skispringen ist ein Ganzjahressport“

Der verrückteste Gast in diesem europäischen Sommersport-Festival mit insgesamt 29 Disziplinen ist zweifellos das Skispringen. Natürlich hat bei der Aufnahme des traditionellen Wintersports eine wichtige Rolle gespielt, dass die Flieger in Polen Heldenstatus genießen. Der je dreimalige Olympiasieger und Vierschanzentourneesieger Kamil Stoch beispielsweise genießt in Deutschlands Nachbarland eine ähnliche Popularität wie Fußball-Weltstar Robert Lewandowski.

Aber das ist nicht der einzige Grund. „Wir zeigen, dass wir im Sommer genauso gut und spektakulär wie im Winter fliegen können. Das wissen ja noch längst nicht alle Menschen auf der Welt. Deshalb sind die European Games die perfekte Werbung für Skispringen als Ganzjahressport“, sagt Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher. Das hat durchaus einen ernsteren Hintergrund. „Zwangsläufig werden sich die Zuschauer in Zukunft an den Anblick grüner Schanzen gewöhnen müssen“, sagt Constantin Schmid.

Der 23 Jahre alte Team-Olympia-Dritte spielt damit auf den Klimawandel an, der den gesamten Wintersport in Gefahr bringt. Die Skispringer bemühen sich daher schon seit längerer Zeit, sich als Ganzjahressportart zu präsentieren. Das ist tatsächlich kein Etikettenschwindel, denn „gute Skispringer werden schon immer im Sommer gemacht“ (Horngacher). Damit ist nicht nur das Grundlagentraining gemeint: Mindestens 500 Trainingssprünge werden von den Topathleten in den schneefreien Monaten absolviert, dagegen nur etwa 150 im Winter auf Schnee.

Ein Testlauf für den Wechsel zu den Sommerspielen

Seit inzwischen fast drei Jahrzehnten gibt es mit dem Sommer-Grand-Prix eine Wettkampfserie, bei der sich die besten Skispringer der Welt messen. Die Top-Flieger landen dabei auf mit Wasser benetzten Kunststoffmatten, die einst von DDR-Nationaltrainer Hans Renner erfunden wurden. So wird es jetzt auch bei den insgesamt fünf Skisprung-Entscheidungen der European Games (je zwei Einzelwettbewerbe für Männer und Frauen plus ein Mixedspringen) auf den Schanzen in Zakopane der Fall sein.

Das Event könnte auch ein Testlauf dafür sein, ob Skispringen künftig sogar ins Programm der Olympischen Sommerspiele wechseln könnte. „Keiner weiß, wie schnell der Klimawandel weitergeht. Vielleicht gibt es irgendwann kein Winter-Olympia mehr“, sagt Stefan Horngacher. Selbst die sonst oft weltfremd wirkenden „alten Männer“ des Internationale Olympische Komitees (IOC) sehen diese Gefahr. Die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2030 wurde um ein Jahr nach hinten verlegt, um die Daten über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintersport noch besser analysieren zu können.

Die Skispringer sind für eine Zukunft ohne Schnee bestens gerüstet. Im vergangenen Winter ging der Weltcup-Auftakt im polnischen Wisla schon auf Matten über die Bühne. Und Constantin Schmid kann sich nicht nur theoretisch vorstellen, dass sein Sport irgendwann Teil von Sommer-Olympia wird. „Wir springen im Sommer das exakt gleiche Material wie im Winter. Und wir haben durch die Keramikspur im Anlauf und die Kunststoffmatten im Aufsprung eine ganz andere Zukunftssicherheit als beispielsweise die Alpinen. Die können bei einer Abfahrt nicht einen riesigen Grashang runterfahren“, sagt der 23-Jährige.

Skisprung-Prominenz aus den Topnationen

Er ist bei den European Games der prominenteste deutsche Flieger in einem jungen Männerteam, während andere Nationen wie Polen, Slowenien, Österreich oder Norwegen viele ihrer Stars ins Rennen schicken. „Für Constantin Schmid und die anderen Youngster sind die European Games eine perfekte Chance, bei so einem großen Event so etwas wie olympische Luft zu schnuppern. Das ist die perfekte Vorbereitung für Winter-Olympia 2026 in Mailand und Cortina“, sagt Horngacher.

Die deutschen Topflieger Karl Geiger, Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler setzen dagegen andere Prioritäten und testen im Windkanal in Stockholm Innovationen für die anstehenden größeren Materialveränderungen im kommenden Winter.