Der Roman „Der Satz“ ist im März erschienen. Foto: Lukas Jenkner

Isobel Markus nimmt die Leser in ihrem Romandebüt „Der Satz“ mit auf eine wehmütige Reise in die 1980er Jahre. Schafft es die Ich-Erzählerin Linda, ihr Trauma zu bewältigen?

Linda reist nach vielen Jahren zurück in ihr Heimatdorf in die Lüneburger Heide. Im Zug beginnt sie sich daran zu erinnern, wie es damals gewesen ist, die geschwisterlichen Auseinandersetzungen mit ihren Brüdern Mick und Joon, die die unverbrüchliche Verbundenheit mit ihrer besten Freundin Tati, Sommertage in der Kiesgrube, Heimlichkeiten vor den Erwachsenen, erste Liebe – und das tragische Ereignis, das eine eigentlich höchst vitale Jugend mit all ihren Höhen und Tiefen zerstört hat.

 

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Was ist damals passiert? Die Leser werden lange im Dunkeln gelassen. Der erste Teil von Isobel Markus’ „Der Satz“ schwelgt im Wesentlichen in den Kindheits- und Jugenderinnerungen, die ihre Schattenseiten haben: Skurrile Dorfbewohner mit ihren Befindlichkeiten, scheiternde Ehen unter den Augen der Nachbarn, denen keine Unebenheit in der bürgerlichen Fassade nebenan entgeht. Und dazwischen herrlich unbeschwerte jugendliche Unvernunft!

Ein Roman wie eine Fallstudie

Erst im zweiten Mal wird klar, was vor dreißig Jahren passiert ist – und das damit der wahre Kampf für Linda erst beginnt. Inzwischen in ihrer Heimat angekommen, begibt sie sich auf Spurensuche, trifft ihre Freunde von damals wieder, die sich ein eigenes Leben aufgebaut haben. Das Wiedersehen legt alte Zuneigungen frei – und offenbart Wunden, die nie verheilt sind. Immer näher tastet sich Linda an das Trauma ihrer Jugend heran – und an ihre unnahbare Mutter, die ebenso wie Linda seit Jahrzehnten in Schweigen verharrt.

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Isobel Markus schreibt mit erkennbarer Sympathie und Empathie über ihre Figuren und bringt den Lesern die wehmütige Melancholie, die sich mit den Erinnerungen an die eigene Jugend verbinden, in einer zarten, poetischen Sprache nahe. Die vierteilige Struktur des Romans, der zunächst von den Erinnerungen handelt, dann vom Vergessenen und schließlich von dem, was aus allem folgt, gibt der Handlung fast den Charakter einer Fallstudie. Das Ergebnis sei an dieser Stelle aber nicht verraten.

Isobel Markus: Der Satz. Quintus Verlag Berlin 2022. 208 Seiten, 22 Euro.