Vorfreude in Seoul: Vor dem Gipfeltreffen halten Südkoreaner ein Plakat mit den Abbildungen der beiden Präsidenten Moon Jae In (links) und Kim Jong Un hoch. Foto: Getty Images AsiaPac

An diesem Freitag treffen sich die Präsidenten von Nord- und Südkorea. Uwe Eppinger, Südkoreas Honorarkonsul in Baden-Württemberg, schildert die Ängste und Hoffnungen im Süden Landes.

Stuttgart - Die Vorbereitungen für das erste innerkoranische Gipfeltreffen seit mehr als zehn Jahren laufen auf Hochtouren. Als erster nordkoreanischer Führer wird Präsident Kim Jong Un an diesem Freitag seinen Fuß auf südkoreanisches Gebiet setzen – empfangen vom Präsidenten Moon Jae In. Der südkoreanische Honorakonsul für Baden-Württemberg, Uwe Eppinger, schildert im Interview die Angst im Süden des geteilten Landes vor einer militärischen Eskalation – und die Hoffnung auf eine dauerhafte Entspannung. Eppinger ist Geschäftsführer der ESA Eppinger GmbH, einem Maschinenbau-Unternehmen mit Sitz in Denkendorf.

Herr Eppinger, was erwartet der Süden des geteilten Landes vom Gipfeltreffen der beiden koreanischen Präsidenten?
Die Erwartungen sind sehr groß - obwohl es schon früher immer wieder Hoffnungsfunken gab, die aber schnell verglühten. Die Lage hat sich in den letzten Jahren sehr zugespitzt. Wenn man in Südkorea ist, spürt man zu jeder Zeit eine untergründige Nervosität. Die Menschen sehnen sich nach Frieden und Normalität.
Dem Treffen ist eine lange Phase nordkoreanischer Drohgebärden vorausgegangen. Wie stark ist die Furcht vor Kim Jong Uns Atomwaffen?
Das Gefühl der Bedrohung ist allgegenwärtig. Die Grenze zu Nordkorea ist zum Beispiel von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul nur wenige Kilometer entfernt, von den Hügeln der Stadt schaut man auf nordkoreanisches Gebiet. Wenn man um Seoul herum wandert, sieht man überall die Soldaten mit Stahlhelm. Sie sind schwer bewaffnet und kampfbereit.
Ist Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ein Mann, mit dem man Frieden schließen kann?
Das genau ist der wunde Punkt. So wie er sich in den letzten Jahren verhalten hat, fehlt das notwendige Grundvertrauen. Deshalb muss es beim Gipfel genau darum gehen: Vertrauensbildung. Die Südkoreaner fürchten allerdings nicht nur Kim, sondern ihnen macht auch Angst, wie das Ausland mit ihnen umgeht…
Damit meinen Sie den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der mit martialischen Sprüchen versucht hat Nordkoreas Diktator unter Druck zu setzen?
Ja. Die Südkoreaner wollen nicht aggressiv auftreten, sie wollen Verständigung mit dem Norden. Trumps Ton sorgt dort für großes Unbehagen – und weckt die Sorge, dass ein verbales und militärisches Säbelrasseln irgendwann außer Kontrolle geraten könnte.
Seit 65 Jahren ist Korea ein geteiltes Land. Wie groß ist heute die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung?
Als Sehnsucht würde ich das nicht bezeichnen. Es geht um den Wunsch, ein normales Leben zu führen – ohne die ständige Angst, dass alles um einen herum in die Luft fliegen kann. Es geht darum, dass ein normaler Austausch mit den Menschen in Nordkorea möglich wird. Es gibt immer noch viele Familien im Süden, die Angehörige im Norden haben.
Wenn man eine Parallele mit Deutschland zieht: rund zwanzig Jahre hat es bei uns gedauert, bis aus den Anfängen einer Entspannungspolitik die Wiedervereinigung möglich wurde. Sind das zeitliche Perspektiven, die Sie auf Korea übertragen würden?
Im Jahr 2000 gab es schon einmal einen Annäherungsversuch der beiden Koreas. Damals war ich fest davon überzeugt, dass es schnell gehen könnte. Es kam ganz anders. Deshalb ist Vorsicht angebracht. Andererseits ist heute der wirtschaftliche Druck in Nordkorea groß, die auferlegten Wirtschaftssanktionen zeigen Wirkung: es geht dem Land schlecht. Das ist sicher auch ein Grund, warum Kim heute zu einem Gipfeltreffen bereit ist.
Der Süden Koreas ist ein wirtschaftlich und technologisch hochentwickeltes Land, der Norden im Vergleich dazu Jahrzehnte zurück. Wie kann man dieses Gefälle ohne riesige Verwerfungen überbrücken?
Die Südkoreaner sind sehr weit, sie haben selbst uns in vielen Bereichen abgehängt. Deshalb ist eine Wiedervereinigung ohne Verwerfungen kaum vorstellbar.
Sie selbst sind Maschinenbau-Unternehmer. Hoffen Sie auch ganz persönlich auf eine wirtschaftliche Modernisierung Nordkoreas?
Ich habe das Land lieben gelernt, ich wünsche ihm von ganzem Herzen eine friedliche Zukunft. Das wäre mir viel wert – weit mehr als die Aussicht, zusätzlich etwas verkaufen zu können.