Stau auf der Autobahn 8 im Süden von Stuttgart: Auch hier sind Maßnahmen erwünscht. Foto: dpa

In Berlin wollten die politischen Spitzen aus der Region Stuttgart Druck machen, damit der Bund die Verkehrswege in Stuttgart schnell und umfassend verbessert. Jetzt stieg der Verband der Region Stuttgart doch noch aus. Was als Signal der Einigkeit gedacht war, wirkt nun wie ein Beweis der Uneinigkeit.

Stuttgart - Der geplante Vorstoß der politischen Spitzen und der Wirtschaft des Raumes Stuttgart in Berlin für die schnellere Finanzierung von Verkehrsprojekten findet nicht statt. Nach rund einjährigen Vorarbeiten, die auf eine Initiative der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart zurückgingen, ist die Aktion beendet. Grund: Der Verband der Region Stuttgart (VRS) trug die Liste der besonders wichtigen Vorhaben, die man befördern wollte, doch nicht mehr mit. Aus seiner Sicht fehlten nämlich der Nordostring Stuttgart und die Filderauffahrt zwischen dem Neckartal in Stuttgart und der Filderebene. Nun läuft die Aufarbeitung der Ursachen und der Schuld.

Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) verteidigte am Montag die Hiobsbotschaft, mit der er und Regionaldirektorin Nicola Schelling die Partner überrascht hatten: dass man doch nicht unterschreiben könne, weil die Liste hinter frühere Gremienbeschlüsse beim VRS zurückfalle. „Mag sein, dass die Landräte ohne Berücksichtigung von Gremienbeschlüssen handeln können, wir nicht“, sagte Bopp den Stuttgarter Nachrichten.

Der Vorstoß wäre aber auch aus einem anderen Grund momentan unpassend gewesen. Mit Computern werde gerade auf Hochdruck berechnet, wie sich die deutlich veränderten Einwohnerzahlen und die Bevölkerungsprognosen auf aktuelle und künftige Verkehrsströme auswirken. Im Juni wolle man beim Verband darüber diskutieren. Hätte man die Liste jetzt in Berlin abgeliefert, würde im Sommer jeder sagen, dass es sich um einen Schnellschuss handelte, sagte Bopp. Den Vorwurf, der Verband habe die Allianz gesprengt, wies er zurück: „Man will dem Verband wieder mal was anhängen.“

Gescheitert an Landkreisen ohne Autobahn

Bopp erinnerte auch daran, dass ein für den Verband gangbarer Weg, nämlich nur die wünschenswerten Verbesserungen an den Autobahnen für die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan zu fordern, an Landkreisen ohne Autobahn gescheitert sei.

Danach kamen auf die Liste: der Ausbau der A 8 mit dem Albaufstieg bei Mühlhausen sowie zwischen Leonberg und Wendlingen, der Ausbau der A 81 bei Sindelfingen sowie zwischen Pleidelsheim und Stuttgart-Zuffenhausen, der Ausbau der B 27 zwischen Aichtal und Echterdinger Ei, der Ausbau der B 10 im Filstal und bei Münchingen mit Ortsumfahrung von Enzweihingen, der Ausbau der B 14 bei Backnang und die Ortsumfahrung Oppenweiler und schließlich der Ausbau von Gäubahn und Neckarschleusen.

Bei den bisherigen Partnern in der Allianz hat der VRS unterschiedlich heftige Reaktionen ausgelöst. Im Stuttgarter Rathaus heißt es: „Die Stadt bedauert, dass die angestrebte gemeinsame Initiative jetzt nicht zustande gekommen ist.“ IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter sagte, wenn es jetzt nicht möglich gewesen sei, eine gemeinsame Position zu beziehen, dürfte es im Sommer kaum leichter sein. Außerdem: Um die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan und um Fördermittel gebe es einen Wettbewerb der Regionen und Bundesländer. Wer einig sei, habe Vorteile. „Berlin weiß jetzt aber, dass die Region Stuttgart momentan nicht in der Lage ist, mit einer Stimme zu reden. Und das ist kein Vorteil.“

Betreibt Hermann eine „Anti-Verkehrsinfrastruktur-Politik“?

Scharf kritisiert wird die Liste vom CDU-Bundestagsabgeordneten und Regionalrat Joachim Pfeiffer (CDU). Die IHK und die Landräte seien auf Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hereingefallen, der wieder tief in die Trickkiste gegriffen habe. Pfeiffer rügt damit, dass die Allianzpartner die Schnittmenge ihrer Wünsche protegieren und anderes weglassen wollten. Das habe das Tor dafür geöffnet, dass die von Hermann abgelehnten Projekte Filderauffahrt und Nordostring aussortiert werden. Unter dem Deckmantel, für die Region etwas Gutes zu verfolgen, betreibe Hermann eine „Anti-Verkehrsinfrastruktur-Politik“.

Wenn Filderauffahrt und Nordostring nicht mehr in den Plänen in Berlin enthalten seien, könnten die Gemeinden die Trassen anders verplanen. Dann sei der Nordostring nie mehr möglich. Von Bopp und Schelling erwarte er schlicht, dass sie die Beschlüsse vertreten – und im Regionalplan hätten die Projekte hohe Priorität. Darüber habe man auch geredet. Die Aktion, wie sie konzipiert war, belege auch eine „völlig falsche Einschätzung, wie Berlin tickt“. Durchschlagende Wirkung könnten Gespräche und die geplante Präsentation in Berlin für Verkehrspolitiker nicht haben. Es gehe auch um Fachliches.