Jürgen Winter überwacht, wenn Lukas Hahn und Josef Schlör (von links) die seltenen Samen im Parkwald von Baltmannsweiler ernten. Foto: Roberto Bulgrin

Weil die Buche schwächelt, suchen Forstleute nach neuen klimafesten Bäumen. In Baltmannsweiler gibt es eine sehr seltene Baumart.

Tulpenbäume sind in unseren Breiten selten. Weit und breit ist der Bestand im Parkwald Baltmannsweiler einzigartig und das sogar landesweit, sagt Revierförster Tobias Huning. Tulpenbäume stammen aus Nordamerika, wo sie gerne für die Produktion von Möbeln verwendet werden, erklärt der Forstfachmann. Weil auch der Schurwald unter dem Klimawandel mit sehr heißen und trockenen Sommern leidet, interessiert sich Forst BW für neue Baumarten und lässt die Samen des Tulpenbaums nun professionell aufbereiten.

 

Die Mutter des Waldes schwächelt

Bisher gefällt es dem Tulpenbaum in Baltmannsweiler. Er verjüngt sich gut und lässt sich nach bisherigem Wissen gut in die heimischen Wälder integrieren, hat Huning festgestellt. Wie es vor rund 70 Jahren zu der Anpflanzung der 156 Bäume kam, ist allerdings unklar, Huning vermutet einen Versuchsanbau der früheren Forstpflanzschule am Goldboden. Die Tulpenbäume wachsen mit einem geraden Schaft, damit meinen Forstfachleute den Stamm, was für die spätere Vermarktung von Vorteil ist. Allerdings sei der Tulpenbaum in Baden-Württemberg noch so wenig etabliert, dass es gar nicht so einfach sei, Abnehmer für das Holz zu finden, berichtet der Revierförster.

Ein auf exotische Holzarten spezialisierter Schreiner aus Ebersbach (Kreis Göppingen) habe beispielsweise abgewunken, weil sich sein Vorrat an Tulpenbaumholz als Ladenhüter entpuppt habe. Immerhin habe Huning seine Stämme inzwischen für die Fertigung von Spanplatten und Paletten absetzen können. Huning hofft, künftig noch eine höhere Wertschöpfung mit Tulpenbaumholz zu erzielen, denn im Mutterland USA sei es für den Möbelbau sehr beliebt.

Weil die im Schurwald dagegen etablierten Arten wie Buche, Eiche und Ahorn stark unter dem Klimawandel leiden, ist der Revierförster auch jetzt wieder auf der Suche nach Alternativen für einen klimafesten Mischwald. Der sei dringend nötig, „wenn wir auch in Zukunft einen grünen Wald wollen“. „Die Buche schwächelt. Sie ist die Hauptbaumart, die Mutter unseres Waldes“, beschreibt Jürgen Winter vom Kreisforstamt die beunruhigenden Befunde, wobei bei den Buchen die Kronen und danach ganze Bäume absterben. Geschädigt seien viele alte Bäume, die 100 bis 120 Jahre alt sind, egal ob im Neckartal oder im Parkwald von Baltmannsweiler.

Im Sommer ist es zu heiß

Etwas besser stünden nur die Buchen an den Nordhängen der Alb und auf den Albhochflächen da, weil dort ein anderes Kleinklima herrsche. Oft sei es dort feuchter und damit auch etwas kühler als in tieferen Lagen, erklärt Jürgen Winter.

Beide Forstleute sind sich einig, dass ein nasser Winter wie momentan den Wald nicht retten könne, denn übers ganze Jahr betrachtet, nähmen die für Bäume stressigen Trockenphasen zu, zumal bei Temperaturen im Sommer über 40 Grad. Ja, es habe immer wieder ordentlich geregnet, doch der Waldboden könne eigentlich noch mehr Wasser aufnehmen. „Zu viel Wasser hatten wir den ganzen Winter nicht“, sagt Huning, das zeige sich auch am moderaten Wasserstand der Bäche, die Richtung Baach aus dem Parkwald abfließen.

Um das Kleinklima auch im Schurwald zu verbessern, ist es inzwischen Usus, zehn bis zwanzig Prozent Totholz im Wald zu belassen. Das sei nicht nur idealer Lebensraum für zahlreiche Insekten und Nährboden für die lebenden Bäume, sondern wirke im Sommer als regelrechtes Kühlkissen, wie es Huning formuliert, da Totholz besonders lange Feuchtigkeit halten könne.

Aber zurück zum Tulpenbaum, der seinen Namen vermutlich der attraktiven gelben Blüte verdankt, aber vielleicht auch dem tulpenförmigen Samenstand. Um die Art professionell zu vermehren, hat Tobias Huning über seinen Arbeitgeber Forst BW zunächst den Tulpenbaumwald als Saatguterntebestand anerkennen lassen. Bei diesem wissenschaftlich fundierten Verfahren konnte eine hohe genetische Vielfalt nachgewiesen werden, was Voraussetzung für die Saatguternte bei diesen Bäumen ist. Und da es sich bei der Saaternte um eine hoheitliche Aufgabe handelt, wacht Jürgen Winter als Forstsaatgutbeauftragter über die Arbeiten, die dokumentiert und anschließend dem Regierungspräsidium in Stuttgart gemeldet werden.

Ähnlich wie bei der Olivenernte

In nur wenigen Stunden ist die Ernte in Baltmannsweiler abgeschlossen worden. Dazu hatte der Forstsaatgutbetrieb von Josef Schlör aus dem fränkischen Wertheim den Tulpenwald kurzerhand in ein Kunstwerk verwandelt. Der Waldboden wurde mit vielen langen grünen Netzen bedeckt, fast als wären die Verhüllungskünstler Christo und Jeanne-Claude noch einmal vom Himmel gestiegen.

Ähnlich wie bei der Olivenernte wurden die Schätze schließlich mit Hilfe der Netze zusammengerafft und in große Säcke geschaufelt. In Wertheim werden Samen und Blätter später getrennt, aufbereitet und gelagert, bis Forstämter, Privatwaldbesitzer und Landschaftsbaubetriebe sowie Baumschulen das Saatgut schließlich für die Neuanzucht kaufen.

Der Natur wird auf die Sprünge geholfen

Klimawandel
Schon seit Jahren ist es Aufgabe der Waldbesitzer, ihre Bestände klimafest einzurichten. Mischwald soll an Stelle von Monokulturen die neuen Herausforderungen besser meistern. Die Zusammensetzung richtet sich in hohem Maß nach dem jeweiligen forstlichen Standort, bei dem Lage, Boden und Klima eine große Rolle spielen.

Vermehrung
Üblicherweise setzen Waldbesitzer auf Naturverjüngung, das heißt, eingewehte Samen der vorhandenen Mutterbäume sorgen für den Nachwuchs. Wenn das nicht im ausreichenden Maß funktioniert, muss nachgepflanzt werden. Dafür werden meist wurzelnackte, also nicht eingetopfte, aus zertifiziertem Saatgut gezogene Forstjungpflanzen verwendet, für die von Oktober bis zum Austrieb Anfang Mai die beste Pflanzzeit ist.