Wirtschaftsminister Robert Habeck (li.) und Kanzler Olaf Scholz (hier im Bundestag) – wer setzt sich durch beim Brückenstrompreis? Foto: dpa/Christoph Soeder

Zum Auftakt des IG-Metall-Kongresses bedrängen die Gewerkschaften die Bundesregierung, einen Brückenstrompreis für die Industrie einzuführen. Wirtschaftsminister Robert Habeck verstärkt seinerseits den Druck.

Die IG Metall sagt der AfD den Kampf an: „In unserem Land haben Kräfte Auftrieb, die die Demokratie bekämpfen oder ganz abschaffen wollen“, sagte Gewerkschaftsvize Christiane Benner zum Auftakt des IG-Metall-Bundeskongresses in Frankfurt. „Dies dürfen wir nicht zulassen – das ist unsere historische Verpflichtung.“ Am Montag will die 55-Jährige zur Vorsitzenden gewählt werden – als erste Frau auf der Position in der Geschichte der IG Metall.

„Die Menschen brauchen Sicherheit, Mitsprache und eine Perspektive“, betonte sie. „Wo die Unternehmen keine Strategien haben, sind die Menschen tief verunsichert, weil sie nicht wissen: Hat mein Arbeitsplatz eine Zukunft?“ Fortan müssten Beschäftigten mehr Mitsprache zur Unternehmensstrategie und zu den eigenen Qualifizierungsmöglichkeiten erhalten. „Wir wollen die Demokratie stärken, im Betrieb und in der Gesellschaft“, sagte die Soziologin.

IG Metall erwartet von Kanzler Scholz eine Zusage

Am Dienstag kommt Kanzler Olaf Scholz. „Ganz klar, wir erwarten von ihm eine positive Zusage zum Brückenstrompreis“, betonte Benner. Doch erscheint es zweifelhaft, dass der Sozialdemokrat dieses Gastgeschenk mitbringt – zu deutlich sind seine Bedenken gegen diese milliardenschwere Subvention.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi bohrte in derselben Wunde der Ampelkoalition: Ohne Verlängerung der Strompreisbremsen mit einem verlässlichen Brückenstrompreis für die energieintensive Industrie sei der Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft nicht zu schaffen. „Er ist sowohl für die Wirtschaft als auch für das Klima die richtige Entscheidung.“ Das Gegenargument, dafür habe der Staat kein Geld, beantwortete sie mit der Frage: „Wo soll zukünftig das Geld herkommen, wenn die Industrie abwandert und die Unternehmen keine Steuern mehr zahlen?“

Der Energiemarkt in Deutschland und Europa sei völlig in Unordnung geraten, da brauche es mehr Stabilisierung, um Deutschland auf Modernisierungskurs zu bringen. Dabei müsse man wie die US-Regierung sagen: „Geld vom Staat gibt es nicht ohne Gegenleistung.“ Die Bedingungen müssten Tariflöhne, Standortverabredungen und Investitionszusagen der Unternehmen sein.

„Der Kampf für den Industriestandort ist nicht entschieden“

Vor dem Kanzler ist sein Vize, Wirtschaftsminister Robert Habeck, zur IG Metall gekommen. Der Grüne ist der größte Befürworter des Brückenstrompreises in der Regierung. Er wandte sich gegen Studien, die von diesem Instrument abraten, weil es die notwendige Anpassung der Industrie verhindere. „Das ist Schönsprech dafür, dass diese Industrie keinen Platz mehr in Deutschland haben soll“, rügte er. „Es würde bedeuten, dass wir keinen Stahl, keine Grundstoffindustrie, kein Aluminium mehr produzieren – dies wäre wirtschaftspolitisch die komplett falsche Antwort.“

Deutschland dürfe nicht nur Dienstleistung und Finanzen haben, es brauche auch Industrie, in der Menschen gute Löhne erhalten. Dies sei der Sinn des Brückenstrompreises. Es sei offen, „wie sich dieses Land aufstellt und wohin die industriepolitische Debatte geht“, zeichnete der Wirtschaftsminister ein düsteres Bild. „Es ist ein Kampf für den Industriestandort und gute Arbeit – er ist noch nicht entschieden“, so Habeck.

Die Chemiegewerkschaft kündigt eine Mobilisierung an

Die Industriegewerkschaften sind enttäuscht, dass die Ampelspitzen das Thema am Freitag im Koalitionsausschuss nicht behandelt haben; die Chemiegewerkschaft kündigt für die nächsten Wochen bundesweit betriebliche Aktionen an, um den Druck zu erhöhen. „Worte, Papiere und allgemeine Bekundungen sind genug gewechselt“, so IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. „Jetzt geht es in die Mobilisierung der Beschäftigten.“ IG-Metall-Chef Jörg Hofmann stellte einen bundesweiten Aktionstag energieintensiver Industrien für den 24. November in Aussicht.