Die Überschuldung unter Privatpersonen dürfte Experten zufolge zunehmen. Foto: IMAGO/Silas Stein/IMAGO/Silas Stein

Hohe Konsumlust trotz hoher Inflation. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet mit einem Anstieg privater Schuldnerinnen und Schuldner.

Die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen werden nach Einschätzung von Experten in den kommenden Monaten zu deutlich mehr Fällen von überschuldeten Privatpersonen führen. „Die Konsumlust der Bürger wächst wieder, obwohl fast alles deutlich teurer ist“, erklärte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in ihrem am Mittwoch in Neuss vorgestellten neuen Schuldneratlas 2023. Das werde viele finanziell überfordern.

Seit 2019, dem letzten Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, ging laut dem Schuldneratlas die Zahl überschuldeter Privatpersonen über 18 Jahre, die ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können, stetig zurück. Im bisherigen Jahresverlauf (Stichtag 1. Oktober) sank sie gegenüber 2022 um 233.000 Fälle auf 5,65 Millionen. Die Überschuldungsquote verringerte sich damit auf 8,15 Prozent der Gesamtbevölkerung gegenüber 8,48 Prozent im Vorjahr.

„Die vermeintlich guten Werte trügen leider“, warnte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsabteilung, Patrik-Ludwig Hantzsch, und verwies auf eine „verdeckte Trendumkehr“. Denn die Zahlen enthalten statistische Effekte aus einer jüngst erfolgten Verkürzung der Speicherfrist für die sogenannten Restschuldbefreiung. Sie gibt Schuldnern die Möglichkeit, sich nach einigen Jahren von ihren Schulden befreien zu lassen, wenn sie diese nicht bezahlen können. Diese Speicherfrist liegt nun bei sechs Monaten statt bisher drei Jahren. Das hat zur Folge, dass 250.000 überschuldete Personen früher aus der Statistik verschwunden sind.

Ohne Berücksichtigung dieses Effekts ist die Überschuldung laut Creditreform bereits in diesem Jahr erstmals seit 2019 wieder gestiegen - gegenüber 2022 um 17.000 Fälle. Das entspricht einer Überschuldungsquote von 8,51 Prozent. Zudem gebe es auch erstmals seit 2020 wieder eine Zunahme der sogenannten „weichen“ Überschuldung, die in mehr als der Hälfte der 394 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland anstieg. Hier sind bei den Schuldnern zwar schon mehrere Mahn- und Inkassoverfahren eingeleitet, aber der Gerichtsvollzieher ist im Gegensatz zur „harten“ Überschuldung noch nicht aktiv geworden. Von dieser Entwicklung betroffen seien vor allem einkommensschwache Haushalte, die unter den zuletzt deutlichen Preisanstiegen bei Energie und Lebenshaltungskosten zu leiden hätten.

Vor dem Hintergrund sich verschlechternder Aussichten für die Wirtschaft und damit einhergehend mehr Unternehmensinsolvenzen erklärte Hantzsch: „Die Überschuldung von Verbrauchern ist eng an die konjunkturelle Entwicklung geknüpft.“ Doch die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschärfe sich und Deutschland rangiere beim Wachstum in Europa auf den letzten Plätzen.