Die Menschen in Madrid suchen Abkühlung. Foto: dpa//Paul White

Die Menschen auf der Iberischen Halbinsel sind heiße Tage und Trockenheit gewöhnt. Doch die Hitzeperioden und Temperaturen nehmen so stark zu, dass es tödliche Folgen hat. Klimaforscher prophezeien für die Zukunft noch Schlimmeres.

Um Mitternacht sind es noch 34 Grad, ein paar Stunden später 25 Grad Celsius, für einen trügerischen Moment der Morgenfrische kurz nach Sonnenaufgang: Während die Deutschen am Dienstag über Temperaturen von 35 Grad Celsius stöhnten, erlebt die Iberische Halbinsel eine Hitzewelle, die das Zeug zur historischen hat. Sie dauert schon länger als eine Woche und wird wahrscheinlich noch eine weitere andauern, sie hat das gesamte Festland im Griff, und sie hat die 40 Grad Celsius zum Normalwert erhoben. Die Madrider sagten immer schon, dass es in der Hauptstadt im Sommer über 40 Grad heiß werde, aber meistens stimmte es nicht. Jetzt stimmt es, einen Tag nach dem anderen. Und nachts kühlt es nicht ab, das ist für viele das Schlimmste.

40 Grad in Spanien, das ist doch nichts Neues, mögen viele denken. Hitze und Trockenheit haben der Iberischen Halbinsel schon immer zu schaffen gemacht. Aber die Hitzeperioden nehmen zu. Sie setzten früher im Jahr ein und seien länger, die Temperaturen seien höher und die betroffenen Landesteile immer größer, schreibt die Zeitung „El País“. Die erste Hitzewelle auf der Iberischen Halbinsel kam in diesem Jahr bereits im Juni. Laut der staatlichen spanischen Meteorologie-Agentur Aemet gehörte sie zu den drei frühesten überhaupt seit Beginn der Aufzeichnungen.

Es gibt kaum ein Entrinnen

Klimaforscher prognostizieren, der Mittelmeerraum werde ein Hotspot der Klimakrise: Die Temperaturen dort würden in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich schneller ansteigen als im weltweiten Durchschnitt, warnte der Weltklimarat IPCC schon im vergangenen Jahr. Dies werde wichtige Bereiche wie die Landwirtschaft, Fischerei und den Tourismus unter Druck setzen. Dutzende Millionen Menschen würden zudem von zunehmendem Wassermangel, Küstenüberschwemmungen und potenziell tödlicher Hitze betroffen sein.

Kurzfristig lässt sich diese Entwicklung nicht stoppen. Für die Menschen bedeutet das: Mit der Hitze gibt es nur einen vernünftigen Umgang – vor ihr zu fliehen. An den Strand oder in die Berge oder zu Verwandten aufs Dorf, wo alte Häuser mit dicken Mauern Kühle versprechen. Wem nichts anderes übrig bleibt, der geht ins klimatisierte Büro. Zu Hause haben nur etwa ein Drittel der Spanier eine Klimaanlage installiert, im Süden des Landes mehr als im Norden. Aber zurzeit ist es auch im Norden heiß.

Die Bürgersteige in den überhitzten Städten sind leer, die Straßencafés ebenfalls. Nur die Männer vom Bau trotzen der Hitze, die Fahrradkuriere und die Touristen. Zu lange Aufenthalte im Freien, womöglich verbunden mit körperlicher Arbeit, sind jetzt riskant: Mit der Hitze steigt die Zahl der Todesfälle, das zeigen die Übersterblichkeitsstatistiken. Am Wochenende brach in der Nähe von Madrid ein 50-Jähriger auf offener Straße zusammen. Sanitäter konnten ihm nicht mehr helfen, seine Körpertemperatur war auf 40 Grad gestiegen. Zuvor war in Madrid ein Straßenkehrer an einem Hitzschlag gestorben, um fünf Uhr nachmittags.

Es ist auch kein gutes Jahr für die Wälder: Im vergangenen Herbst hat es kaum geregnet, was sich auch am Pegelstand der Stauseen bemerkbar macht. Mit der Hitze steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Funken zum Flächenbrand wird. Zumal, wenn die Wälder trocken sind. Die seit etwa zehn Tagen wütenden Waldbrände zerstörten in Spanien nach amtlichen Schätzungen bisher 25 000 Hektar Wald sowie Dutzende von Häusern, Läden und Fabriken. Tausende Menschen wurden in Sicherheit gebracht, am Wochenende starben ein Feuerwehrmann und ein Schäfer.

Sánchez: Der Klimawandel tötet

Dabei hat Spanien seine Wälder immer besser gegen Brände zu schützen verstanden. In den 1980er Jahren verbrannten jährlich im Durchschnitt 236 000 Hektar Wald- und Buschland, vergangenes Jahr waren es noch 88 000 Hektar. Doch dieses Jahr waren es bis Anfang Juli schon 70 000 Hektar. „Der Klimawandel tötet“, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez am Montag beim Besuch betroffener Gebiete in Extremadura. „Er tötet Menschen, aber er tötet auch unser Ökosystem, unsere Biodiversität.“

Auf die Klimakrise muss sich auch die Landwirtschaft einstellen. Sie tut es vornehmlich durch künstliche Bewässerung. Wie überall in Europa geht die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Spanien langsam zurück, doch ein immer größerer Teil davon wird bewässert: Zurzeit sind es 3,8 Millionen Hektar, 1999 waren es erst 2,3 Millionen. Bauern, die ihr Land künstlich bewässern, haben vor allem Sorge, dass die Brunnen versiegen. Dagegen helfen zunehmend intelligente, wassersparende Bewässerungsverfahren und Wasser aus Meerwasserentsalzungsanlagen.

Die Ironie des Klimawandels ist, dass der Kampf gegen seine Folgen viel Energie verbraucht: von den Klimaanlagen bis zu den intelligenten Bewässerungssystemen. Der Stromverbrauch in Spanien stieg in diesem Juni um 2,8 Prozent gegenüber dem Juni 2021. Ein weiterer Punkt ist, dass Sonne, Wind und Wasser während einer Hitzewelle tendenziell weniger Strom liefern als gewöhnlich. Spanien verbrennt gerade sehr viel Gas, sein Anteil an der Stromerzeugung betrug im Juni 28,5 Prozent, während es in den ersten fünf Monaten des Jahres 19,1 Prozent waren. Das ist Feuer für die nächste Hitzewelle.