Eine gut integrierte Albanerin wird mitsamt ihrer beiden Kinder abgeschoben. Nun kämpft ihr Freundeskreis dafür, dass die 32-jährige wieder nach Deutschland einreisen und eine Ausbildung absolvieren darf.
Rems-Murr-Kreis - Der Traum zerplatzte morgens um fünf, als drei Polizisten an der Tür klingelten. Sie kamen, um Anita K. und ihre beiden Kinder abzuschieben. „Einer von ihnen hat gesagt, er könnte sofort hundert Adressen nennen, zu denen er liebend gern fahren würde, aber hier sei er eigentlich fehl am Platz“, sagt Kathrin Ade, eine Freundin Anitas, die dabei war. Doch ob Anrufe beim Regierungspräsidium oder Flehen, alles half nichts. „Die Kinder sind sechs und zehn Jahre alt, sie hatten am Abend davor noch die Sachen für die Schule und den Kindergarten gepackt“, erzählt Ade. Doch es ging nicht zu den Freunden, sondern ab in den Kosovo. In das Land, in dem für ihre Mutter alles angefangen hatte.
Vor zehn Jahren hatte Anita K. dort geheiratet. Aus dem schönsten Tag des Lebens wurde ein Albtraum: Auf der Feier wurde ihr Bruder erschossen. Der Hintergrund war wohl ein Familienzwist um Geschäfte ihres Vaters, die Täter wurden nie gefasst. Kathrin Ade sagt, die Tragödie sei absolut glaubhaft: „Ich habe mit einer Cousine von Anita gesprochen, die in Deutschland lebt und mir diesen Mord bestätigt hat. Auch ihre Tante war neulich hier, sie ist in Tränen ausgebrochen, als das zur Sprache kam. So etwas kann man nicht spielen“, sagt Ade. Noch heute trage Anita einen Zeitungsbericht über den Mord bei sich, sie habe ihr ein Foto des blutverschmierten Brautkleides gezeigt.
Ohne Asyl auch keine Arbeitserlaubnis für die 32-Jährige
Anita K. und ihr Gatte versuchten rund zwei Jahre nach dem Anschlag, in Schweden eine sichere Zukunft mit ihrer inzwischen geborenen Tochter aufzubauen. Ein Recht auf Asyl hatten sie dort nicht, vor einer drohenden Abschiebung flohen sie – mittlerweile sogar zu viert – nach Deutschland. Über mehrere Asylbewerberheime gelangten sie schließlich in eine Flüchtlingsunterkunft nach Remshalden. Die Ehe Anitas mit ihrem Mann zerbrach, doch die zweifache Mutter gab dennoch nicht auf. Sie wollte mit ihren Kindern ein neues Leben aufbauen, lernte die deutsche Sprache. Die Gemeinde Remshalden stellte ihr eine kleine Wohnung zur Verfügung – doch eine Arbeitserlaubnis vom Landratsamt bekam sie nicht.
In dieser Zeit schloss Anita Freundschaft mit Kathrin Ade und anderen Remshaldenerinnen, die ihr helfen wollten. Sie beauftragten einen Anwalt, der gegen das Beschäftigungsverbot vorgehen sollte. Drei Ausbildungsplätze – einen davon als Pflegerin bei der Awo – hatte Anita K. in Aussicht. Doch alles half nichts: Im Frühjahr 2020 wurde klar, dass sie kein Asyl und auch keine Arbeitserlaubnis bekam. Im – falschen – Glauben, dass eine Abschiebung nicht drohe, bis das Verwaltungsgericht in dem Fall entschieden hat, harrten die Freundinnen aus. Auch in der Hoffnung, dass Anita bald sechs Jahre lang in Deutschland sein würde – eine Frist, nach der sie vielleicht eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis hätte erlangen können.
Der Kosovo ist sicheres Herkunftsland
Auch nach der Abschiebung sind die Freundinnen mit Anita K. in Verbindung. Unter anderem versuchen sie, Spenden aufzutreiben. „Die Kinder sind traumatisiert und todunglücklich, sie haben alle Freunde verloren“, erzählt Ade. Wie nach Abschiebungen üblich, ist Anita K. nun mit einer Einreisesperre belegt, in ihrem Fall für anderthalb Jahre. Immerhin: Der Freundeskreis hat die Habe der Familie aus Remshalden in den Kosovo nachgeschickt.
Das Recht ist nicht auf der Seite von Anita K.: Der Kosovo zählt zu den sicheren Herkunftsstaaten. „Daher ist ein Asylantrag nur in ganz seltenen Fällen erfolgreich. Deshalb dürfen Asylbewerber aus dem Kosovo grundsätzlich in Deutschland nicht arbeiten“, erklärt eine Sprecherin des Landratsamts in Waiblingen. Nach einem abgelehnten Asylantrag habe der oder die Betroffene zudem Zeit, freiwillig auszureisen. „In diesem Fall gibt es auch keine Einreisesperre“, so die Sprecherin.
Es gibt noch eine letzte Chance auf legale Einreise
Doch nun gilt diese nun einmal – und Anitas Freundinnen versuchen jetzt mithilfe eines Anwalts, diese zu verkürzen. Kathrin Ade glaubt, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt seien. „Über das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz kann man sich aus dem Kosovo um ein Visum für die Arbeit in Deutschland bemühen. Gerade in der Pflege kommt das häufig vor – auch im Rems-Murr-Kreis“, so die Sprecherin der Behörde. Einen Ausbildungsplatz hat Anita K. in Aussicht – und wer weiß, vielleicht nimmt die Geschichte irgendwann doch noch ein Happy End.