Von den angekündigten Fahrverboten nicht betroffen: Diesel-Fahrzeuge mit Euro 5 Foto: dpa

Die Mehrheit der Einzelhändler in Baden-Württemberg fordert großzügige Ausnahmereglungen bezüglich der Fahrverbote. Der Handel fürchtet, dass „die Falschen“ profitieren.

Stuttgart - Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart befürchtet durch die von der Landesregierung angekündigten Fahrverbote für Diesel bis einschließlich Euro 4 ab 2019 Einschnitte für die Beschäftigten der rund 160 000 IHK-Mitgliedsbetriebe im Großraum Stuttgart. „Dass es nun trotz des Rückgangs der Stickoxidbelastung in Stuttgart zu Fahrverboten kommen soll, ist keine gute Nachricht für die Betriebe in der Region“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl am Mittwoch.

Von den Beschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge ab Anfang 2019 werden nach Einschätzung der IHK vor allem Berufspendler betroffen sein. Ein IHK-Gutachten zur Erreichbarkeit von Gewerbegebieten in der Region Stuttgart habe gezeigt, dass viele Gewerbegebiete und Arbeitsplatzschwerpunkte in der Region nur unzureichend an das ÖPNV-Netz angebunden sind, erklärte Schmalz weiter. Das Land müsse darum schnell für Klarheit sorgen, ob neben Fahrten in die Stadt hinein auch Auspendler von Fahrverboten betroffen sein sollen.

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Handelsverband pocht auf Verhältnismäßigkeit

Die Mehrheit der Einzelhändler in Baden-Württemberg fordert großzügige und weitreichende Ausnahmereglungen von möglichen Fahrverboten. Das geht aus einer Umfrage des Handelsverbands Baden-Württemberg unter knapp 200 Händlern hervor. „Jedes Fahrverbot fördert die Umsätze von großen Online-Händlern wie Amazon“, sagte ein Händler. „Die Zustelldienste werden mit ihren Transportern die Umwelt mehr belasten als die Fahrverbote für den privaten Verkehr.“ Zudem sei der öffentliche Nahverkehr in Spitzenzeiten total überlastet. „Durch ein Fahrverbot in den Innenstädten werden große Online-Händler wie Amazon bevorteilt“, sagte Verbandspräsident Hermann Hutter: „Das Fahrverbot unterstützt damit eindeutig die Falschen.“

„Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass die Politik sich bewusst ist, dass eine solche Entscheidung große Auswirkungen auf die mittelständische Wirtschaft haben kann“, ergänzte Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes, Sabine Hagmann. Aus ihrer Sicht sei nicht nur der innerstädtische Einzelhandel betroffen: „Der innerstädtische Einzelhandel sowie dessen Arbeitsplätze, aber auch die anderen innerstädtischen Dienstleistungsbranchen benötigen jetzt ein verantwortungsvolles, mittelständisch orientiertes, angemessenes und verhältnismäßiges politisches Handeln.“

„Es herrscht eine große Unsicherheit“

Ins selbe Horn stößt Andrea Poul, Centermanagerin des Milaneo: „Es herrscht eine große Unsicherheit. Selbst unsere Mitarbeiter fragen schon, wie soll ich in Zukunft zur Arbeit kommen? Einer meiner Mitarbeiter ist auf Grund der unsicheren Lage schon abgesprungen.“

Die Stuttgarter City-Managerin Bettina Fuchs sagte: „Es trifft mit den Fahrverboten die Falschen. Nämlich die privaten Haushalte, die im guten Glauben ihre Autos gekauft haben. Wenn dieser Kundekreis, der unsere Zielgruppe ist, nicht mal kurz in die Stadt fahren kann, sucht er sich Alternativen. Er fährt dahin, wo er kostenlos parken oder ich ein Bus-Shuttle abholt.“ Etwa in die Breuningerländer oder ins Outlet nach Metzingen.

Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer, sagte: „Grundsätzlich sind Fahrverbote für die Innenstadt schädlich. Nicht für die Passantenfrequenz, sondern für die ganze Versorgung der City.“ Solange die Euro-5-Diesel nicht von Fahrverboten betroffen seien, halte sich der Schaden im Rahmen. „Aber wenn es soweit kommt, dass auch die Gruppe betroffen ist, ist es eine Katastrophe.“