Das neue Gastro-Konzept Sansibar bei Breuninger Foto: 7aktuell/Gabriel Span

Breuninger, Wittwer, Korbmayr: Die Großen im Stuttgarter Handel sind sich einig: Wer überleben will, muss Gastronomie-Konzepte auf seiner Ladenfläche integrieren.

Stuttgart - Das Fest ist verrauscht. Jetzt muss der Alltag einlösen, was sich Breuninger-Chef Willy Oergel von seiner neuen Sansibar in der Karlspassage verspricht: ein gutes Geschäft. In der Bar und damit auch in seinem Kaufhaus-Flagschiff am Marktplatz. Breuninger weiß schon längst: ohne Gastronomie geht es im Modehandel nicht mehr. Aber seit die Frequenzen in den Innenstädten sinken, die Umsätze stagnieren und der Onlinehandel wächst, denkt der stationäre Handel noch stärker um.

„Gastronomie ist daher bei uns ganz wichtig“, sagt Oergel, „wir müssen uns differenziert aufstellen, müssen uns abheben und einen Mehrwert bieten. Auch unsere Karl’s Kitchen ist kein übliches gastronomisches Konzept.“ Nicht zuletzt sollen solche Angebote selbst gewinnbringend arbeiten und die Rückgänge im Textilbereich kompensieren. Auch andere Kaufleute aus anderen Segmenten in der Stadt haben das erkannt: das Buchhaus Wittwer kooperiert mit seinem gastronomischen Angebot seit knapp zehn Jahren mit dem Kaffeehändler Hochland.

Und Florian Henneka von Korbmayer hat in der Schulstraße sein eigenes Café aufgemacht. „Der Einzelhandel kommt nicht mehr ohne Gastronomie aus“, sagt Wittwer-Geschäftsführer Rainer Bartle, „solche Angebote bringen Frequenz und erhöhen die Verweildauer.“ Für Bartle ist diese Kooperation insgesamt ein Nehmen und Geben: „Auch Hochland profitiert sehr von dieser Konstellation.“

Handel steht vor erdrutschartigen Veränderungen

Breuninger-Gastro-Chef Heinz Schiebenes bringt es auf den Punkt: Nur Ware anzubieten reiche nicht mehr, die Leute wollten Spaß haben. „Für den stationären Handel stehen daher erdrutschartige Veränderungen an“, fügt Marc Schumacher, Geschäftsführer des Unternehmens für Markenkommunikation Liganova hinzu. Wer in der Innenstadt auf Dauer keine Erlebnisse, keine nachhaltigen Momente bieten werde, werde es in Zukunft schwer haben.

Treffpunkte schaffen lautet daher eines der Zauberworte im Handel. Das andere: Inszenierung. Händler verstehen sich mehr denn je als Gastgeber, Animateur und Berater. Auch das hat Rainer Bartle vom Buchhaus Wittwer erkannt: „Wir haben etwa 140 Veranstaltungen im Haus.“ Auch hier ist die Stoßrichtung klar: Kundenbindung und Markenbildung. „Durch solche Maßnahmen persönliche Beziehungen aufzubauen, das können Versandbuchhändler nicht“, sagt Bartle.

Immobilien-Experten wie Michael Bräutigam von Collier beobachten zudem schon länger: Textil wird zurückgedrängt, Gastro kommt. Lange Zeit verschwanden Lokale und Cafés wegen der hohen Pacht aus der Innenstadt. Ein prominentes Beispiel: das Café Scholz am Marktplatz. Doch inzwischen kehrt die Gastronomie wieder zurück. Am stärksten im neuen Dorotheen-Quartier. Ohnedies kommt kein Einkaufscenter ohne Fressmeile aus. Im Königsbau beendete die Food-Lounge gar die große Flaute. Der Makler JJL beobachtet, dass 20 Prozent des Umsatzes mit Ladenflächen in I-A-Lagen einen gastronomischen Hintergrund haben. Marc Schumacher ergänzt: „Dieser Trend wird sich fortsetzen. Die Ladenflächen werden kleiner, und zudem werden die Mieten weiter sinken. Und das wird alles schneller passieren als viele denken.“

Das Fazit von Rainer Bartle fällt daher eindeutig aus: „Wenn du dich heute abheben willst, kommst du ohne Gastronomie und Veranstaltungen nicht mehr aus.“ Bartle geht jede Wette ein, dass bald noch mehr auf diesen Zug im Handel aufspringen. Getreu dem Motto von Breuninger: Couture trifft Cuisine.