Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit seiner Kassenchefin Edith Sitzmann (beide Grüne) Foto: dpa

Das grün-schwarze Kabinett hat den Entwurf für den Haushalt 2017 beschlossen. Baden-Württemberg kommt demnach ohne neue Schulden aus. Doch das sei mit Blick auf die 2020 greifende Schuldenbremse nur ein kleiner Schritt, kommentiert Politikredakteur Nils Mayer.

Stuttgart - Der Streit um zusätzliche Lehrerstellen ist beigelegt, der grün-schwarze Entwurf für den Haushalt 2017 steht, die schwarze Null demzufolge auch. Doch was Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Finanzministerin Edith Sitzmann (beide Grüne) nun als Erfolg verkaufen, ist mit Blick auf die von 2020 an greifende Schuldenbremse allenfalls ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. 800 Millionen Euro an strukturellen Ausgaben werden insgesamt eingespart. 370 Millionen Euro davon, die elf Ministerien gemeinsam zur Konsolidierung des Haushalts beitragen, wurden in einigen Häusern aber nur durch findige Hütchenspielertricks, globale Minderausgaben oder geplante Mehreinnahmen erreicht.

Das beste Beispiel liefert das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Statt wirklich zu sparen, will die dort wirkende Ministerin Theresia Bauer (auch sie eine Grüne) den international studierenden Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland und allen, die ein Zweitstudium absolvieren wollen, tief in die Tasche greifen, um ihren Konsolidierungsbeitrag leisten zu können. Das mag einerseits die (Betreuungs-)Qualität in den Hochschulen sichern, womöglich sogar verbessern. Andererseits setzt sie leichtfertig ein Instrument ein, das womöglich dringend gebraucht würde, wenn die Steuereinnahmen mal nicht mehr so sprudeln wie in diesem Jahr. Sparwille und Weitsicht gehen anders.

Grün-Schwarz gibt im nächsten Jahr eine Milliarde Euro mehr aus

Ohnehin sind es die üppigen Steuereinnahmen, die darüber hinwegtäuschen, dass Grün-Schwarz es mit dem stets proklamierten Sparkurs gar nicht so ernst meint. Denn die Koalitionäre eint vor allem, dass sie gern Geld ausgeben. Unterm Strich stehen im nächsten Jahr netto rund 600 Stellen mehr als im vergangenen Jahr. Das Haushaltsvolumen steigt um mehr als eine Milliarde Euro auf insgesamt 48 Milliarden Euro. Was das mit Sparen zu tun hat? Überhaupt nichts! Womöglich sollte die Landesregierung den Begriff des Sparens neu definieren – oder ihn einfach nicht mehr verwenden.

Sitzmann hat ja schon vorgemacht, wie man einen Begriff aufweichen und neu deuten kann – bei der Verschuldung. Die Finanzministerin hat ihn kurzerhand so gedehnt, dass nun auch die Sanierungsstaus bei Straßen, Brücken und anderem Eigentum des Landes, wie zum Beispiel Universitätsgebäude, darunter fallen. „Implizite Verschuldung“ nennt Grün-Schwarz die Sanierungsstaus – und ändert dafür die Verordnung der Landeshaushaltsordnung. Ein cleverer Kniff, um frisches Geld zu haben.

Investitionen in Straßen und Brücken statt Schuldenabbau

Denn dadurch kann das Land im nächsten Jahr voraussichtlich rund 300 Millionen Euro in längst überfällige Sanierungen investieren, statt Kreditmarktschulden zu tilgen, wie es ansonsten gesetzlich vorgesehen gewesen wäre. Sitzmann hat dabei die Rückendeckung von Ministerpräsident Kretschmann und ihren Kabinettskollegen. Irgendwie verständlich: Die Schlaglöcher auf dem Weg zur Arbeitoder den abbröckelnden Putz in den Schulen können die Bürgerinnen und Bürger sehen – die Kreditmarktschulden nicht.

Es mag durchaus sinnvoll sein, Straßen oder Brücken wieder in Schuss zu bringen, bevor sie eines Tages so marode sind, dass sie neu gebaut werden müssen. Angesichts des 47 Milliarden Euro hohen Schuldenbergs, unter dem Baden-Württemberg ächzt, wäre es in einer Niedrigzinsphase wie derzeit allerdings auch angezeigt, endlich damit zu beginnen, den selbigen abzutragen. Denn spätestens, wenn die Steuereinnahmen sinken oder die Zinsen wieder steigen und die Landesregierung wirklich sparen muss, droht das Chaos.

nils.mayer@stuttgarter-nachrichten.de