Von Einsamkeit betroffen sind in Deutschland vor allem 18- bis 29- sowie über 80-Jährige. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Einsamkeit schmerzt – und hat gravierende gesundheitliche Folgen. Sozial isolierte Menschen haben einer aktuellen Studie zufolge ein merklich höheres Risiko, an bestimmten Krankheiten zu sterben. Das belegen auch frühere Untersuchungen.

Gesellschaftliche Isolation und das Gefühl von Einsamkeit können das Sterberisiko eines Menschen merklich erhöhen. Das bestätigt eine umfangreiche Analyse eines chinesischen Forschungsteams.

Einsamkeit führt zu einem erhöhten Sterberisiko

Ein Mangel an sozialen Kontakten gehe im Mittel mit einem um etwa 32 Prozent höheren Sterberisiko einher, das Gefühl von Einsamkeit mit einem um etwa 14 Prozent höheren Risiko, berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Human Behaviour“.

Als eine körperliche Ursache für das erhöhte Risiko sehen die Forscher eine verstärkte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol, was die Körperfunktionen auf Dauer negativ beeinflusse.

Soziale Isolation und subjektives Gefühl der Not

Die Gruppe um Yashuang Zhao und Maoqing Wang von der chinesischen Harbin Medical University wertete für ihre Studie 90 Untersuchungen aus verschiedenen Ländern mit insgesamt mehr als 2,2 Millionen Teilnehmern aus.

Als soziale Isolation definieren sie dabei einen objektiven Mangel an Sozialkontakten bei Menschen mit begrenzten sozialen Netzwerken. „Im Gegensatz dazu ist Einsamkeit ein subjektives Gefühl der Not, das entsteht, wenn ein Missverhältnis zwischen gewünschten und tatsächlichen sozialen Beziehungen besteht“ schreiben die Autoren.

Die Forscher suchten aus mehr 14 000 Studien zu sozialer Isolation und Einsamkeit 90 heraus, die zwischen 1986 und 2022 veröffentlicht wurden und bestimmten Kriterien entsprachen. Aus den Werten, die für den Einfluss von Einsamkeit oder sozialer Isolation auf das Sterberisiko ermittelt wurden, berechnete das Team Durchschnittswerte.

Demnach erhöht soziale Isolation beispielsweise das Risiko, an einer Krebserkrankung zu sterben, um 22 Prozent – Einsamkeit um neun Prozent. Im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Todesursache erhöht soziale Isolation das Sterberisiko um 34 Prozent.

Einsamkeit kann physisch und psychisch krank machen

Forscher der französischen Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines um den Mediziner Louis Jacob hatten zuvor auf der Grundlage von Umfragen, Interviews und Fragebögen herausgefunden, dass Alleinlebende 1,5- bis 2,5-mal mehr an psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angst- und Zwangsstörungen leiden wie Menschen, die in einer stabilen Paarbeziehung leben.

So ist die Situation in Deutschland

Ähnliches gilt auch für Deutschland. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2022 insgesamt 40,8 Prozent aller Haushalte (16,7 Millionen von insgesamt 40,9 Millionen) Einpersonenhaushalte – ein Anteil, der deutlich über dem -Schnitt von 33 Prozent in der Europäischen Union liegt.

Einer Umfrage des Marktforschungsinstitut Splendid Research zufolge fühlen sich zwölf Prozent der Bundesbürger häufig oder ständig einsam. 32 Prozent verspüren zumindest manchmal Einsamkeit.

In einer öffentlichen Anhörung des Bundestags (2021) erklärte die Bochumer Psychologin und Einsamkeit-Forscherin Susanne Bücker, dass in Deutschland 10 bis 20 Prozent der Bürger von chronischer Einsamkeit betroffen seien. Einsamkeit könne über die gesamte Lebensspanne auftreten. Besonders betroffen sei die Gruppe der 18- bis 29- sowie über 80-Jährigen.

Was Einsamkeit von Alleinsein unterscheidet

Der Psychiater Arno Deister, Ex-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), sieht einen Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. „Wenn das Alleinsein gewollt ist, kann es für Menschen durchaus positiv sein.“

Einsamkeit hingegen bezeichnet den ungewollten Verlust von Beziehungen. Wenn Alleinsein dazu führe, dass Beziehungen fehlten, dann könne das bestimmte Erkrankungen zwar einerseits begünstigen, erklärt Deister weiter.„Andererseits ist es etwa ein Symptom von Depressionen, dass sich Menschen zurückziehen.“

Stabile soziale Beziehungen sind der beste Schutz

Dass sich Einsamkeit negativ auf die psychische Gesundheit auswirke, sei hinreichend erforscht, stellt der Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Universität Bochum fest. „Stabile und vertrauensvolle soziale Beziehungen sind der beste Schutz für die psychische und auch körperliche Gesundheit.“

Margraf sieht vor allem gesellschaftliche Veränderungen, die das Alleinleben und somit auch das Potenzial für Einsamkeit begünstigten. Und er macht konkrete Handlungsvorschläge: „Man muss dafür sorgen, dass die Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen.“ Dabei sei jeder Einzelne gefragt: „Wenn wir unsere Einkäufe nun auch noch ins Internet verlagern, haben wir ein massives Problem.“