Einfach aufgeben wollten sie den Ochsen nicht. Sogar Unterschriften haben die Heslacher für die Erhaltung des Gebäudes gesammelt. Seit November sorgen Florian und Cristina Neumann für neues Flair im alten Ochsen. Die Geschichte eines Wirtshauses.
S-Süd - Irgendwie skurril fanden die Heslacher den Ochsen ja schon. Unter manchen Besitzern sei er sogar ein „bisschen zwielichtig“ gewesen, sagt Margit Gebhardt von der Geschichtswerkstatt Süd. Trotzdem herrschte Entsetzen, als es vor etwa drei Jahren hieß, die schwäbische Traditionsgaststätte am Bihlplatz muss schließen. Die Brauerei Dinkelacker war gezwungen, dem Pächterpaar Angelika van der Kolk und Willi Warsow zu kündigen. Das Herzblut, mit dem sie ihr Lokal in dem stadtbildprägenden Gebäude betrieben haben, hatte nicht ausgereicht. Die Heslacher sammelten Unterschriften, um das Gebäude zu erhalten.
Heslach ist immer irgendwie auch ein Dorf geblieben
So eine Aktion ist nicht untypisch für die alteingesessenen Heslacher, bestätigt Gebhardt. Die hingen an ihren Traditionen und ihrem gewohnten Umfeld. „Es kommt auch alles nach Heslach zurück.“ Das kennt Gebhardt selbst. 13 Jahre lebte sie „im Exil“. In Fellbach. Natürlich wohnt sie längst wieder im alten Haus ihrer Familie an der Baumreute. Wenn sie runter läuft, also nach Heslach, dann geht sie „in d’r Flecka“, sagt die 49-Jährige. Obwohl Heslach ja mitten in einer Großstadt liegt, ist es ein Dorf geblieben. „Wir waren ja lange gefühlt eigenständig“, ergänzt sie. „Heute gehören wir leider wirklich zu Stuttgart.“ Tatsächlich war Heslach, wie der Historiker Siegfried Bassler in seinem „Heimatbuch Heslach“ schreibt, in erster Linie geographisch von Stuttgart getrennt: „Die Stadtviertel von der Adlerstraße stadteinwärts wurden etwa ab 1880 aufgesiedelt. Erst seit 1878 besteht eine durchgehende Straßenverbindung zur Kernstadt Stuttgart.“
Zu einem Dorf, gehört eine Dorfgaststätte. Für die meisten Heslacher war dies seit 1839 der Ochsen. „Es ist unsere älteste Gaststätte im Ort“, sagt Gebhardt, die kürzlich erst eine Führung über die gastronomische Entwicklung rund um den Bihlplatz angeboten hat. Das älteste Dokument, das sie vom Ochsen gefunden hat, war von einer Bierbrauerei Geiger. Der Inhaber der Brauerei, ein Johannes Geiger, soll dort den ersten Biergarten Heslachs eröffnet haben. Sein Nachfolger, Johann Löbelenz, ließ 1860 die oberen Stockwerke ausbauen und mit Ofen und Kamin versehen. „Er war der Ochsenwirt“, sagt Gebhardt. Der Name hat sich tatsächlich nie geändert: „Der Ochsen war immer der Ochsen.“
Der Ochsen ist jetzt ein modernes Restaurant mit einer Brasserie nebenan
Das zu ändern haben sich tatsächlich auch Florian und Cristina Neumann nicht getraut. „Uns war es wichtig, Teil der dörflichen Gemeinschaft zu werden“, sagt Cristina Neumann. Und: „Wir mögen es auch, dass unser Restaurant eine bewegte Geschichte hat.“ Natürlich sind die Stammgäste aus Heslach. Auch wenn deren Freude über die Wiedereröffnung des Ochsens zumindest kurz getrübt wurde. Mit der schwäbischen Küche machten die Neumanns nämlich Schluss. Statt Maultaschen und Gulaschsuppe gibt es dort jetzt Coq au Vin, Kaninchenfilet und veganen Gemüsestrudel. „Mediterran“ nennt Cristina Neumann die Küche ihres „Neuen Ochsen“ – mit Einflüssen aus Portugal, Frankreich und Spanien.
Nach einigen Startschwierigkeiten hat sich das Ehepaar eingelebt. Und die Heslacher? Die haben sich eben jetzt an das eher ausländische Essen gewöhnt. Und das, obwohl sich optisch auch einiges verändert hat. Besitzer Rolf Soller, quasi der Retter des Ochsens, hat die Fassaden außen erneuern lassen, die Neumanns haben innen komplett saniert. Aus dem Geschäft nebenan ist die Brasserie geworden, eine Art Tagescafé mit Kuchen und Tapas. Der Gastraum des Ochsens hat nun moderne Holztische, Hingucker ist eine riesige Lampe über den ganzen Raum. „Viele sehen den von der Bahn aus und kommen deshalb zu uns“, sagt die 40-jährige Neugastronomin. Und auch, weil sie die Strandliegestühle vor der Tür stehen sehen.
Die Gaststätte und die neue Spielfläche beleben den Bihlplatz
Die verschaffen dem Bihlplatz gleich ein ganz anderes Flair. Am frühen Nachmittag sitzen da nun bei schönem Wetter die Studenten aus dem Haus und aus der Nachbarschaft mit ihren Drinks. Dankbar ist Neumann, dass just im letzten Jahr endlich der Bihlplatz verschönert wurde. Was vorher ein öffentliches Hundeklo war, ist nun ein Kinderspielplatz mit Tischtennisplatte. „Das belebt den Platz unheimlich.“
Die Gastronomen drum herum haben sich ohnehin gefreut, als bekannt wurde, im alten Ochsen tue sich wieder was. Gastronomie profitiert von Gastronomie, sagte Werner Mast damals. Überzeugt war er zwar, dass allein seine Heslacher Weinstube den Bihlplatz unheimlich aufwertet. Aber: „Wegen mir allein kommt halt doch keine Sau her an den Bihlplatz.“