Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A6 fährt wurden bereits in der Vergangenheit an die Ukraine geliefert, jetzt sollen weitere Waffen sowie Munition und militärische Ausrüstung dazu kommen (Archivbild). Foto: dpa/Philipp Schulze

Was den Nato-Beitritt der Ukraine angeht, ist Bundeskanzler Olaf Scholz zurückhaltend. Für ihn hat die konkrete Militärhilfe im Abwehrkampf gegen Russland Priorität. Zum Auftakt des Nato-Gipfels gibt es dazu eine neue Zusage – in dreistelliger Millionenhöhe

Deutschland unterstützt den Abwehrkampf der Ukraine gegen die russischen Angreifer mit weiteren Waffen, Munition und militärischer Ausrüstung im Wert von knapp 700 Millionen Euro. Das kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Auftakt des Nato-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius an. Unter anderem soll die von Russland angegriffene Ukraine weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1A5 und fünf Bergepanzer aus Industriebeständen sowie zwei Abschussgeräte für Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr bekommen.

Hilfe ist laut Scholz „Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Durchhaltefähigkeit“

Hinzu kommen 20 000 Schuss Artilleriemunition und 5000 Schuss Nebelmunition sowie Aufklärungsdrohnen und Mittel zur Abwehr von Drohnenangriffen. Außerdem erhält die Ukraine Ausrüstung zur Minenabwehr und ein Sanitätspaket mit Komponenten für ein Feldlazarett. Deutschland sei damit und mit seinen früheren Zusagen bei der militärischen Unterstützung der Ukraine „ganz vorne mit dabei“, sagte Scholz. „Wir werden das in den nächsten Jahren auch weiter tun.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte, dass das Paket die Prioritäten der Ukraine bediene: Luftverteidigung, Panzer, Artillerie. „Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Durchhaltefähigkeit“, sagte er.

Deutschland hinter USA auf Platz zwei der Waffenlieferanten

Die Bundesregierung hat für die Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 bis zum 30. Juni 2023 bereits Rüstungslieferungen für 3,9 Milliarden Euro aus Bundeswehr- und Industriebeständen genehmigt. Hinzu kommen Lieferungen, die nicht genehmigt werden müssen. Insgesamt liegt Deutschland unter den Waffenlieferanten der Ukraine auf Platz zwei hinter den USA.

Zuletzt hatte die Bundesregierung der Ukraine anlässlich des Deutschlandbesuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Mai ein großes Waffenpaket im Wert von 2,7 Milliarden Euro zugesagt. Scholz wird bei dem Gipfel erneut Selenskyj treffen, der auf eine möglichste konkrete Nato-Beitrittsperspektive für sein Land dringt.

Dabei nimmt Deutschland eine zurückhaltende Rolle ein und hat einer formellen Einladung in das Bündnis bereits eine klare Absage erteilt. „Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da. Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens“, hieß es vor dem Gipfel aus deutschen Regierungskreisen. Scholz betonte in Vilnius, dass der Fokus nun zunächst darauf liegt, dass man der Ukraine in der jetzigen Situation ganz konkret hilft, sich gegen Russland zu verteidigen.

Keine Waffen neuer Qualität im Rüstungspaket

Dazu soll auch das neue Rüstungspaket beitragen. Waffen neuer Qualität sind darin aber nicht enthalten. Die von der Ukraine geforderten Marschflugkörper Taurus werden weiter nicht geliefert. Die Ukraine wünscht sich diese Waffen, um Stellungen der russischen Streitkräfte in der Ukraine weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Bundesregierung ist dabei zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können.

Großbritannien liefert als erstes Nato-Land bereits jetzt Marschflugkörper. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Rande des Gipfels an, dass auch Frankreich nun solche Waffen liefern will. Die USA halten sich damit noch zurück, genauso wie Deutschland.

Die deutsche Bevölkerung steht den deutschen Waffenlieferungen nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur aus der vergangenen Woche gespalten gegenüber. 38 Prozent gehen die bisherigen Lieferungen an das von Russland angegriffene Land zu weit. 32 Prozent finden den Umfang der militärischen Unterstützung genau richtig. 18 Prozent sind der Auffassung, es hätten noch mehr Waffen in die Ukraine geliefert werden sollen.

Stoltenberg erwartet Perspektive für Nato-Beitritt der Ukraine

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet, dass die Ukraine beim Gipfeltreffen in Litauen eine deutliche Perspektive für den angestrebten Bündnisbeitritt bekommt. „Wir werden eine klare Botschaft, eine positive Botschaft zum weiteren Vorgehen geben“, sagte Stoltenberg am Dienstag in Vilnius. Seinen Angaben zufolge wird beim Gipfel ein mehrjähriges Programm vereinbart werden, um künftig eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften der Ukraine und des Bündnisses zu ermöglichen.

Zudem ist geplant, die politischen Beziehungen über die Schaffung eines neuen Nato-Ukraine-Rates zu vertiefen und der Ukraine zu versprechen, vor der angestrebten Aufnahme nicht auf das übliche Heranführungsprogramm zu bestehen. „Das wird den Beitrittsprozess für die Ukraine von einem zweistufigen Prozess zu einem einstufigen machen“, erklärte Stoltenberg.