Viel zu viel CO2 wird in die Atmosphäre freigesetzt: Heizkraftwerk Nord, eine seit 1964 in Kraft-Wärme-Kopplung betriebene Anlage der Stadtwerke München Foto: Imago/Sven Simon

Die Auswirkungen der Klimakrise treffen die Welt immer heftiger. Doch allen Ankündigungen und Klimakonferenzen zum Trotz gehen die Emissionen nicht runter. Im Gegenteil. Die globale Lage spitzt sich immer mehr zu.

Die globalen CO2-Emissionen durch fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas steigen weiter an. Sie erreichen 2023 mit voraussichtlich 36,8 Milliarden Tonnen im Jahr einen Höchstwert, wie Fachleute im neuen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget (Global Carbon Budget) schreiben. Das seien 1,1 Prozent mehr als als im vergangenen Jahr und 1,4 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019.

 

Zu langsame Transformation des Energiesektors

Überschüssiges Gas wird am Industriepark für Erdöl und Petrochemie Jose Antonio Anzoategui in Venezuela verbrannt. Foto: Stringer/dpa

„Die Auswirkungen des Klimawandels sind überall um uns rum offensichtlich, aber die Maßnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen durch fossile Brennstoffe bleiben schmerzhaft langsam“, sagt Forschungsleiter Pierre Friedlingstein von der britischen University of Exeter. An dem am Dienstag (4. Dezember) im Fachjournal „Earth System Science Data“ veröffentlichten Bericht waren mehr als 120 Fachleute beteiligt.

Der Anteil des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Luft beträgt 2023 demnach durchschnittlich 419,3 ppm (parts per million, Teile pro Million). Damit liegt er 51 Prozent höher als im Jahr 1750.

„Es erscheint unausweichlich, dass wir das 1,5-Grad-Ziel überschreiten werden – und die letzten Jahre haben uns drastisch vor Augen geführt, wie gravierend die Folgen des Klimawandels bereits jetzt sind“, betont Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine der Hauptautorinnen des Berichts. Dennoch komme es im Kampf gegen die Klimakrise auf jedes Zehntelgrad an.

Pariser Klimaziel kaum noch realisierbar

Rohbraunkohle an einem Kohleflöz im Lausitzer Kohlerevier Jänschwalde in Brandenburg). Foto: Imago/Andreas Franke

Die globale Durchschnittstemperatur soll auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber der Zeit vor der industriellen Revolution ansteigen. So lautet das vorrangige Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015.

Das weltweite Budget an CO2, das noch ausgestoßen werden darf, um dieses Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zu erreichen, wird auf dem Emissionsniveau von 2023 aber in sieben Jahren ausgeschöpft sein, wie die Experten im Bericht schreiben. Um die Erderwärmung auf 1,7 Grad zu halten, sind es noch 15 Jahre, bei zwei Grad noch 28 Jahre, jeweils beginnend mit dem Jahr 2024.

Länder im Überblick

Luftverschmutzung in Neu-Delhi. Foto: Imago/Zuma Wire
  • Indien: Anhand einer Vielzahl von Messwerten und sorgfältig geprüften Computermodellen haben die Forscher ermittelt, dass Indien in diesem Jahr 8,2 Prozent mehr CO2 aus fossilen Brennstoffen ausgestoßen hat als 2022. Das bevölkerungsreichste Land der Erde hat damit nun höhere Emissionen zu verzeichnen als die Europäische Union.
Petrochemische Industrie in Lianyungang in der Provinz Jiangsu. Foto: Imago/NurPhoto
  • China: Das Reich der Mitte, das für 31 Prozent aller weltweiten fossilen CO2-Emissionen verantwortlich ist, hat 2023 vier Prozent mehr fossiles CO2 ausgestoßen als im Vorjahr.
  • USA: Hingegen haben die USA diese Emissionen um 3 Prozent veringert.
  • EU: In den Staaten dr Europäischen Union sankder CO2-Ausstoß sogar um 7,4 Prozent.
  • Welt: In der übrigen Welt gab es einen Rückgang um 0,4 Prozent, also einen positiven Trend.
Stau im abendlichen Berufsverkehr in Düsseldorf. Foto: Imago/Michael Gstettenbauer
  • Deutschland: Zu Deutschland gibt es in dem Bericht keine Vorabberechnung für 2023. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesrepublik den fossilen CO2-Ausstoß um 1,9 Prozent verringert. Im Vergleich zum Jahr 1990 hat Deutschland seine CO2-Emissionen um 36,8 Prozent auf jetzt 0,67 Milliarden Tonnen reduzieren können (entspricht 1,8 Prozent der globalen Emissionen). Dennoch müsste auch hierzulande mehr dafür getan werden, CO2 einzusparen.

Entwaldung treibt Treibhausgas-Emissionen in die Höhe

Müllteppich statt Urwald: Verschmutzer Fluss in der brasilianischen Millionenstadt Manaos im Amazonas. Foto: Imago/Agency EFE

Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts ist die sogenannte Landnutzungsänderung, insbesondere die Abholzung von Wäldern. Durch Landnutzungsänderungen sind demnach 2023 schätzungsweise 4,1 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangt. Das ist etwas weniger als im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2022 mit 4,7 Milliarden Tonnen.

In diesem Jahrzehnt wurden jährlich 1,9 Milliarden Tonnen CO2 durch Aufforstung der Luft entzogen, was jedoch nicht ausreichte, um die Emissionen von 4,2 Milliarden Tonnen pro Jahr durch dauerhafte Abholzung, vor allem in Brasilien, Indonesien und im Kongo, auszugleichen.

Minimale CO2-Reduktion durch technische Maßnahmen

Erstmals weist der Bericht auch die Reduktion des atmosphärischen CO2 durch technische Maßnahmen aus. Dies macht derzeit jedoch nur 0,00001 Milliarden Tonnen CO2 aus – und damit deutlich weniger als ein Millionstel der aktuellen CO2-Emissionen.

Dennoch werden Technologien wie die direkte CO2-Entnahme aus der Luft und anschließende Speicherung (Direct Air Carbon Capture and Storage – DACCS) gebraucht, erklärt Jan Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. „Wenn wir die Atmosphäre irgendwann mal aufräumen wollen, weil wir nicht mit Klimaschäden von 1,5 Grad leben wollen, dann brauchen wir diese Technologien.“

Fortschritte beim Klimaschutz

Photovoltaikanlage einer Bungalowanlage an der Bucht von Dakhla in der Westsahara/Marokko. Foto: Imago/snapshot

Hoffnung macht den Experten, dass es zahlreiche Länder gibt, die ihren CO2-Ausstoß deutlich verringert haben und deren Wirtschaft dennoch gewachsen ist.

Sogenannte Kohlenstoffsenken nehmen nach wie vor etwa die Hälfte des vom Menschen in die Luft entlassenen CO2 auf. An Land sind es vor allem die Vegetation und die Böden, im Ozean bestimmte chemische Reaktionen, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen.

Doch ohne den Klimawandel könnte die Landsenke und die Ozeansenke deutlich mehr CO2 aufnehmen. „Diese Effekte werden sich mit zunehmendem Klimawandel noch weiter verstärken“, unterstreicht Judith Hauck von Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.

Mehr grüne Energien

Windkraftpark in Bijie City in der chinesischen Provinz Guizhou. Foto: Imago/NurPhoto

Regenerative Technologien: Fortschritte bei der Begrenzung der Erderwärmung seit 2015 gehen weitgehend auf den Ausbau dreier Technologien zurück: Sonnenenergie, Windkraft und Elektro-Mobilität. „Laut Prognosen wird der Einsatz von Photovoltaik die Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2030 um rund drei Gigatonnen verringert haben“, schätzt die US-Behörde für saubere Energie Cefim (OECD Clean Energy Finance and Investment Mobilisation programme). „Das entspricht in etwa dem Schadstoffausstoß aller Autos, die heute weltweit auf der Straße sind.“

Neuen Prognosen zufolge dürften Photovoltaik und Windkraft bis 2030 rund 15 Prozent der weltweiten Stromproduktion ausmachen. Das wäre sieben Mal mehr Windkraft und drei Mal mehr Photovoltaik, als die IEA 2015 prognostiziert hatte.

Stromtankstelle für Elektro-Autos. Foto: Imago/Michael Gstettenbauer

Mehr E-Autos: 2015 schien es utopisch, dass einmal größere Flotten von E-Autos auf den Straßen unterwegs sein würden. Die International Energy Agency (IEA) nahm damals an, dass Elektro-Fahrzeuge 2030 weniger als zwei Prozent aller Autokäufe ausmachen würden. Heute schätzt sie diese Zahl auf mehr als ein Drittel, und die Entwicklung schreitet rasant voran.

„Der Einsatz sauberer Energietechnologie hat sich in den vergangenen zwei Jahren auf ungeahnte Weise beschleunigt“, bilanziert die IEA. Die Photovoltaik-Kapazitäten hätten in diesem Zeitraum um 50 Prozent zugenommen und der Verkauf von Elektro-Fahrzeugen um 240 Prozent. Diese Fortschritte sind laut Internationaler Energieagentur die Folge sinkender Kosten und politischer Initiativen in zahlreichen Ländern, vor allem China, den USA und Europa.