Per Videokonferenz waren Künstler zugeschaltet. Foto: Lg/Ferdinando Iannone

Eine Finissage, die nicht so ablief wie geplant, gab es für die Ausstellung „Stuttgart trotz(t) Corona“ im Stadtpalais Stuttgart. In Coronazeiten ist das freilich nicht ungewöhnlich – und passt zu den außergewöhnlichen Fotos, die bei der Ausstellung zu sehen waren.

Stuttgart - Trotzdem, sie haben es trotzdem gemacht. Obwohl die dritte Welle der Pandemie den Plan vereitelt hatte, zum Abschluss der Ausstellung die 80 Fotografinnen und Fotografen zum Abholen ihrer Werke am Stadtpalais zusammenzubringen, samt Livemusik. „Wir wollten eine Finissage, dann eben auf andere Weise“, sagte Torben Giese, Direktor des Stadtpalais, und unterstrich dabei das Trotzige der Aktion, weil das zum ganzen Projekt passe. So mussten die Fotografien, die dokumentieren, wie Corona das Leben in der Stadt bestimmt hat, sukzessive übergeben werden und der finale Akt als kleine, geschlossene Veranstaltung ins Foyer und per Livestream ins Netz wandern.

 

Motive, die bereits Teil des kollektiven Gedächtnisses zu Corona und Lockdown sind

Noch in den Beginn hinein wurde draußen die Ausstellung abgebaut, wobei die Bilder noch einmal wie im Zeitraffer zu fassen waren. Momentaufnahmen, deren charakteristische Motive bereits Teil des kollektiven Gedächtnisses zu Corona und Lockdown sind: Sitzreihen in Parks, gesperrt mit rotweißen Bändern. Sonnenschirme auf dem leeren Schlossplatz, eingeklappt trotz Bilderbuchwetter. Eine Rolle Toilettenpapier, mit Kaffeetasse und Maske zum Stillleben arrangiert. Ein Café, „bis auf Weiteres geschlossen“. Oder die gähnende Leere von Flughafen- und Bahnhofskorridoren, ein alter Mann im Regen mit geknicktem Schirmdach, Warteschlangen vor dem Baumarkt, eine einsame Sängerin mit Gitarre auf einem Baugerüst. Eine Begegnung im Wald, mit Abstand. Kinder beim Home-Schooling.

Für Christian Blanck, Ideengeber des Projektes, sind die Fotos „kreativ festgehaltene Momente, die zeigen, dass wir uns alle in der gleichen Situation befinden“, und weil er nur aus seinem Kellerstudio zugeschaltet sein kann, „fühlt sich das im Augenblick an wie vor einem Jahr“. Tatsächlich funktioniert habe die Idee, die Situation aus der Sicht derer, die sie erlebt haben, „für die Nachwelt festzuhalten“. Jedes Mal, wenn er die Bilder wieder anschaue, entdecke er „neue, interessante Details“.

Die Fotos zeigen Emotionen und Geschichten

Für Leonie Rothacker, die das Kooperationsprojekt von Stuttgarter Zeitung/Nachrichten und Stadtpalais von Zeitungsseite betreut hatte, spiegeln die Bilder „eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen“. Überrascht habe sie nicht nur die große Zahl an eingereichten Fotos, aus denen 80 für die Ausstellung ausgewählt wurden, sondern auch, „wie unheimlich viel da drinsteckt“. Emotionen, sprechende Details, ganze Geschichten. Ihr Lieblingsbild: Erwachsene, die ihre Mama nicht besuchen dürfen und die Muttertagsgrüße per Banderole vom Gartenzaun gegenüber kundtun. So habe das Projekt gezeigt, „dass man trotzdem etwas auf die Beine stellen kann. Dass man kreativ mit der Situation umgehen und so eine schwierige Zeit besser hinter sich bringen kann“.

Stellvertretend konnten im Foyer drei Akteure ihre Bilder übernehmen und sich in Interviews äußern. Den öffentlichen Raum hatten sich Cornelius Bierer und Christin Schwab vorgenommen, jeweils mit der Staatsoper im Hintergrund. Schwabs Schwarz-Weiß-Aufnahme fängt eine Szenerie nach der ersten Öffnung im Frühsommer 2020 ein: Menschen, wie von einer unsichtbaren Regie paarweise sortiert, mit einem wie ausgemessen wirkenden Abstand. Bieres Aufnahme ist stark atmosphärisch geprägt und menschenleer, mit zwei berittenen Polizisten im Hintergrund und einem schattenhaft auffliegendem Vogelschwarm. Auf die entsprechende Frage des Museumsleiters räumt Bierer ein, dass die Pandemie die Chance für „sehr spezielle Fotos“ eröffnet habe, fügt aber sogleich hinzu: „Aber die Bilder sind es nicht wert, dass man das noch länger ertragen wollte.“

Lachen und sich an kleinen Dingen erfreuen

Sehr privat ist das Foto von Petra Rühle. Es zeigt den Home-Schooling-Computer ihres Sohnes, der vor die Kamera eine Lego-Plattform gehängt hatte, auf der er Star-Wars-Figuren auftreten ließ. Ja, dieses Foto sei vielleicht auch ein Zeitdokument: „Vor allem aber ist es Teil unserer Familiengeschichte, der Geschichte unserer Kinder.“ Es zeige, „wie Kinder eine Situation annehmen, damit spielen und sich ihre Welt drumherum bauen.“ Auch wenn die Situation jetzt wieder nicht einfach sei: „Man sieht sie trotzdem lachen. Sie freuen sich an den kleinen Dingen. Das haben wir Erwachsenen vielleicht auch wieder gelernt.“

Für Torben Giese war das ein „perfektes Resümee“, es bringe das Projekt auf den Punkt: „Das Beste aus der Situation zu machen“, und das sei ja „kennzeichnend für die Schwaben“. Perfekt dazu passte das ganz spezielle Trotzdem, das das Duo „Parallel“ auf dem wie für eine Fahrt in den Frühling offenen 280er SL-Cabrio mit ihrem beschwingten Songwriter-Pop bescherte: „Das kriegen wir hin. Ich mag so gern, wenn du lachst. Du hast ein 1000-Watt-Lachen.“ Ganz klar ein Wink in die Zukunft!