Für viele Menschen sind Bäume mehr als nur Schattenspender. Foto: dpa

Gehölze stehen Häuslebauern oft im Weg. Eine Verordnung schützt die Bäume, sie gilt aber nicht überall.

Filder - Udo Stauss ist dagegen. Der Vorsitzende des Wein-, Obst- und Gartenbauvereins Degerloch hofft, dass der Baumschutz in seinem Bezirk niemals zum Zwang wird. „Unsere Leute halten nichts davon“, sagt er und spricht nach eigenen Angaben für die meisten im Verein. Andernfalls müssten Menschen, die sich zum Beispiel vor Jahren eine Fichte in den Garten gepflanzt haben, damit leben, dass ihnen das ausladende Nadelgehölz das Licht im Zimmer raube. Denn: „Sie dürften den Baum ja nicht fällen“, sagt Stauss.

Der Degerlocher spricht im Konjunktiv, da die Bürger unterm Fernsehturm bisher selbst entscheiden dürfen, ob sie Bäume zu Brennholz erklären. Das ist nicht überall so. In der Innenstadt und in Teilen Bad Cannstatts gilt eine Baumschutzverordnung. Ginge es nach den Bezirksbeiräten in Wangen, wäre die Regelung künftig auch andernorts Standard. So hatten sie jüngst gefordert, die Schutzverordnung auf die oberen Neckarvororte auszudehnen. Da liegt es nahe, diesen Schritt für die Gesamtstadt weiterzudenken.

Die acht Paragrafen regeln, dass Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 Zentimetern für die Axt tabu sind (siehe Kasten). Ziel ist es, die Bäume vor Häuslebauern zu schützen, Tiere und Stadtklima brauchen sie – und das Auge auch. Kommt man ums Abholzen nicht rum, muss nachgepflanzt werden. Am besten an derselben Stelle, notfalls auch anderswo.

„Baumschutz kriegt man nicht umsonst“

Die Verordnung gibt es seit 1985. Ihr in Stuttgart eine flächendeckende Geltungskraft zu verschaffen, ist keine neue Idee. Zuletzt haben sich die Stadträte vor etwa zwei Jahren damit befasst. Damals haben die Fraktionen die Verwaltung gebeten, sie über die Möglichkeiten zu informieren.

Der Mann, der bei der Stadt fürs Thema zuständig ist, heißt Wolfgang Maier. Er arbeitet im Stadtplanungsamt. Die Baumschutzverordnung im ganzen Stadtgebiet einzuführen, „halte ich als Grünordnungsplaner für sinnvoll“, sagt er. In Stuttgart komme es immer häufiger zum Konflikt zwischen Bau und Baum. Da wäre es nicht übel, wenn die Motorsäge nicht an jedem Stamm angesetzt werden dürfte. Doch: „Baumschutz kriegt man nicht umsonst“, sagt Maier. Für die Innenstadt und Cannstatt bezahlt die Stadt durchschnittlich 20 000 Euro im Jahr an Baumgutachter. Für die Gesamtstadt lägen die Kosten bei geschätzten 45 000 Euro. Das war dem Gemeinderat vor zwei Jahren zu viel, weshalb die Überlegungen zu den Akten gelegt worden sind. Maier geht davon aus, dass er die Zahlen vor der Sommerpause wieder aus der Schublade kramen wird. Die Stadt will die Paragrafen der aktuellen Rechtslage anpassen. Wenn die Novellierung im Ausschuss für Umwelt und Technik vorgestellt wird, würden sicherlich Fragen zur Ausweitung der Schutzverordnung gestellt werden, sagt Maier. Bäume haben eine Lobby, sie sind für viele Leute heutzutage mehr als Schattenspender. „Es gibt einen bewussteren Umgang mit Bäumen in der Öffentlichkeit“, sagt Maier.

Beim Obst- und Gartenbauverein Sillenbuch war der verordnete Baumschutz noch nie Gesprächsstoff, sagt der Vorsitzende Achim Zwierzynsky. Er hat gemischte Gefühle. „Man sollte einen Baum nicht ohne Not fällen“, sagt er. Vom Zwang hält er trotzdem nichts: „Es wird so viel geregelt in Deutschland“, sagt Zwierzynsky.

„Die wenigsten Privatleute werden von der Verordnung begeistert sein“

Die Obst- und Gartenbauvereine in Plieningen und Heumaden halten sich zum Thema bedeckt. Sie verweisen auf den Kreisverband. Dem gehören 24 Vereine mit 4300 Mitgliedern an. Für den Naturschutz sei die Verordnung natürlich gut, sagt der Vorsitzende Marcus Lämmle. „Die wenigsten Privatleute werden von der Verordnung begeistert sein. Sie bringt einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand.“ Ein Muss sähe Lämmle kritisch: „Wenn jemand zu etwas verdonnert wird, sind das nicht die besten Voraussetzungen“, sagt er. „Wenn Sie sich etwas in ihren Garten pflanzen, muss es aus Begeisterung passieren.“

Für Udo Stauss, den Vereinsvorsitzenden aus Degerloch, steht fest: Gegen einen Schutzzwang würde er sich wehren. Die Zierpflaume zum Beispiel in seinem Garten, die ist morsch. Deshalb wird Stauss sie wohl im Herbst fällen. Mit Verordnung „müsste ich warten, bis der Baum umfällt und mir meine Hütte zusammenschlägt“.