Alice Weidel hat eine falsche Behauptung in Bedrängnis gebracht. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Im Zusammenhang mit der Coronapandemie verbreiten sich immer wieder Legenden. Das ist ein altes Phänomen. Jetzt hat die AfD-Fraktionschefin Weidel ungeprüft solche falschen Vorwürfe verbreitet.

Überlingen - Ein Mann betritt maskenlos eine Überlinger Bäckerei. Bevor die Verkäuferin etwas sagen kann, bestellt er in harschem Ton ein Brot. Als es ihm über den Tresen gereicht wird, zückt der Mann den Dienstausweis des städtischen Ordnungsamts und eröffnet der verdatterten Angestellten, dass wegen Missachtung der Coronaverordnung jetzt ein Bußgeld von 2500 Euro fällig wäre.

Wahr ist an dieser Geschichte, dass sie tatsächlich in Überlingen – und wohl nicht nur dort – seit Monaten kursiert. Auch der Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel, die am Bodensee ihren Wahlkreis hat, ist sie offenbar zugetragen worden. Bei einer Parteiveranstaltung Ende Januar in Schwäbisch Gmünd berichtete sie darüber: Das Überlinger Ordnungsamt ermittle verdeckt und provoziere dabei mit Absicht Verstöße, echauffierte sie sich.

Der OB droht mit rechtlichen Schritten

Die Wirkung auf ihre Zuhörer blieb nicht aus. Empört war man allerdings im Überlinger Rathaus. Ein solches Vorgehen und einen solchen Vorgang gebe es nicht, erklärte der Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) und kündigte rechtliche Schritte an. Zudem seien für einen solchen Verstoß höchstens 250 Euro fällig. Der Regelsatz liege bei 70 Euro und müsse auch nicht von der Bäckerei, sondern von der Person, die keine Maske trage, bezahlt werden.

Auch in keiner der am Ort ansässigen Bäckereien, die allesamt vom örtlichen „Südkurier“ befragt wurden, konnte jemand den Vorfall bestätigen. Man erlebe das Ordnungsamt als verständnisvoll. Inzwischen räumte auch Weidel einen Fehler ein. Sie habe den Vorgang, der ihr von einem Bürger berichtet worden sei, nicht verifiziert. „Das bedauere ich sehr und ich entschuldige mich dafür“, teilte sie auf Nachfrage mit.

Die Mär von vergifteten Masken

Offenbar war die AfD-Landeschefin einer Wanderlegende aufgesessen. Früher hatten solche Geschichten – wie die von der Spinne in der Yuccapalme – meist einen humoristischen Hintergrund. Im Zusammenhang mit der Pandemie werden sie immer öfter gezielt zur Verunsicherung der Bevölkerung eingesetzt.

So sah sich das Polizeipräsidium in Konstanz vergangene Woche dazu genötigt, eine andere Geschichte richtig zu stellen, die im Schwarzwald-Baar-Kreis durch die sozialen Netzwerke geisterte. In der kursierenden Sprachnachricht warnte ein Mann seinen „Schatz“ in örtlicher Sprachfärbung vor einer angeblich neuen Betrugsmasche. Unbekannte zögen von Haustür zu Haustür und böten günstig FFP2-Masken an. Diese Masken seien aber mit Chloroform getränkt. Wer sie anprobiere, falle in Ohnmacht und werde anschließend ausgeraubt. In Schwenningen habe es einen solchen Fall gerade gegeben.

Sterben Kinder an der Maskenpflicht?

Bei Haustürgeschäften sei Vorsicht bisweilen angebracht. Es seien aber „weder Türverkäufe von FFP2-Masken bekannt, noch gibt es einen Fall, in welchem eine solche mit einem Betäubungsmittel ‚getränkte’ Maske aufgetaucht ist“, erklärte die Polizei. Es handele sich um eine typische Falschmeldung. Sie ist nicht einmal neu. Im Frühjahr war eine ähnliche Geschichte bereits in Großbritannien umgegangen.

Manchmal haben solche Gerüchte aber auch einen wahren Kern. Ein großes Thema war im vergangenen Jahr eine angebliche Gefahr, die von Masken ausgehe. Kinder seien zusammengebrochen und daran gestorben, wurde aus den Reihen der Querdenken-Bewegung immer wieder behauptet. Als Beleg wurden tatsächliche Todesfälle von Kindern herangezogen.

Allerdings konnten Obduktion und polizeiliche Ermittlung nirgendwo einen Zusammenhang mit irgendwelchen Masken herstellen. Er werde in der kommenden Woche Beweise vorlegen, dass das Tragen der Maske der Grund für den Tod gewesen sei, hatte der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann bei der Querdenken-Demonstration in Konstanz Anfang Oktober angekündigt. Viele Zuhörer nickten. Es folgte – nichts.