Doppeldeutiges Profilbild bei Facebook: Die gekreuzten Hämmer sind ein Symbol aus dem Bergbau, werden aber auch von Rechtsradikalen verwendet. Foto: dpa

Durch den enormen Flüchtlingszustrom brodelt es in Deutschland – auch im Netz. Auf Facebook tauchen zunehmend Seiten auf, mit denen sich Unbekannte im Namen ganzer Städte gegen den Zustrom wehren. Eine Handhabe dagegen gibt es offenbar nicht.

Stuttgart - Eine ganze Stadt wehrt sich gegen Flüchtlinge. Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man sich im sozialen Netzwerk Facebook auf die Seite „Fellbach wehrt sich“ verirrt. Die Stadt am Fuße des Kappelbergs (Rems-Murr-Kreis) ist sogar diesbezüglich gleich mit zwei Facebook-Seiten vertreten: Fellbach-Schmiden, einer von zwei Teilorten, wehrt sich angeblich auch.

Bei näherem Hinsehen relativiert sich allerdings das Ganze. Die Fangemeinde beider Seiten ist überschaubar. Insgesamt 265 Personen haben bislang hinterlassen, dass ihnen die Aktion gefällt. Angesichts von rund 45.000 Einwohnern in Fellbach ist der Zuspruch also nicht überwältigend. Bislang gab es in der Stadt auch weder Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime noch fremdenfeindliche Straftaten. Wie andernorts auch dürften in Fellbach einige mit der derzeitigen Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sein. Aber davon, dass ganz Fellbach sich wehrt, weiß man in Fellbach nichts.

Damit könnte man die Sache auf sich beruhen lassen, aber die beiden Facebook-Seiten sind längst nicht die einzigen, mit denen zumeist unbekannte Aktivisten im Namen einer ganzen Kommune gegen den Flüchtlingsstrom Stimmung machen: Flensburg wehrt sich, die Insel Rügen wehrt sich, Wismar wehrt sich – auf Facebook werden immer mehr solcher Seiten erstellt.

Wettern über den „bolschewistischen Bürgermeister“

Der Rems-Murr-Kreis ist dabei mit mindestens zwei Gemeinden vertreten: Neben Fellbach wehrt sich auf Facebook angeblich auch Weissach im Tal.

Letzteres ist insofern brisant, weil dort im August eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Flammen aufging. Die Polizei geht von einem Anschlag aus und hat die Wehrt-sich-Seiten im Kreis auch im Blick, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen sagt. Regelmäßig werde auch geschaut, ob die Einträge auf den Seiten den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen.

Die Betreiber der Seiten sind allerdings relativ clever. Die Einträge sind meist nicht strafrechtlich relevant, auch wenn sie oft die Grenzen des guten Geschmacks verletzen. Auf der Wehrt-sich-Seite von Fellbach-Schmiden zum Beispiel wird über den „bolschewistischen und grün versifften Bürgermeister und seine Helfershelfer“ gewettert, und zwar im Zusammenhang mit Plakaten der sogenannten „Idcntitären Bewegung“, die der Schreiber in der Stadt fotografiert hat. Vielleicht hat er sie sogar geklebt.

Verbindungen zur „Identitären Bewegung“

Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) ist jedenfalls eine der Gruppierungen, die nach Ansicht der Sicherheitsbehörden hinter den Wehrt-sich-Seiten stecken könnten. „Man findet immer wieder Querverbindungen“, sagt ein Polizeisprecher.

Die Identitäre Bewegung trat in Deutschland erstmals 2012 in Erscheinung und wird vom Landesamt für Verfassungsschutz der „islamkritischen Szene“ zugeordnet. Erklärtes Ziel sei der „Erhalt unserer ethnokulturen Identität“, die durch die Massenzuwanderung bedroht sei. Insbesondere auf Facebook ist die Bewegung schwer aktiv.

Denkbar ist nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch, dass die rechtsextremistische Kleinstpartei „Der dritte Weg“ ihre Finger mit im Spiel hat. Auch sie ist in Baden-Württemberg aktiv. Auf der Homepage der Partei wird laut Verfassungsschutz zur „Agitation gegen Asylanten“ ein breites Angebot präsentiert. Unter anderem gibt die Partei Tipps, wie man die Errichtung eines Asylheims in der Nachbarschaft verhindern kann. Noch können sich allerdings weder Polizei noch Verfassungsschutz einen Reim auf die Wehrt-sich-Seiten machen. Das Phänomen sei dafür noch zu neu, heißt es.

Sind die Seiten bundesweit vernetzt?

Die Symbole, die verwendet werden, sind zum Teil doppeldeutig. So hat zum Beispiel die Seite von Fellbach-Schmiden als ein Profilbild zwei gekreuzte Hämmer: Eigentlich ein Symbol aus dem Bergbau, das aber auch in rechtsradikalen Kreisen Verwendung findet. Fellbach jedenfalls ist bislang nicht als Bergbau-Region aufgefallen.

Ob die Betreiber der Wehrt-sich-Seiten bundesweit vernetzt und mit Material gefüttert werden, ist unklar. Der Verdacht liegt aber nahe. „Das Ganze scheint System zu haben“, sagt ein Polizeibeamter. Und bei der Stadt Fellbach weist man darauf hin, dass viele Einträge auf den Facebook-Seiten „wenig mit dem aktuellen Geschehen in Fellbach zu tun haben“. Der Schluss liege nahe, dass die Seiten womöglich von Personen erstellt wurden, „die nicht in Fellbach leben“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Eine rechtliche Handhabe, dagegen vorzugehen, sieht die Stadt nicht. Seiten und Inhalte könnten nur von Facebook gelöscht werden.