Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fordert die EU bei einem Treffen in Brüssel auf, sich für den Start der Beitrittsverhandlungen mit seinem Land zu entscheiden. Foto: dpa/Virginia Mayo

In Brüssel wird bei einem Gipfel in diesen Tagen über den Start der Beitrittsverhandlungen mit Kiew entschieden. Doch es droht ein Veto aus Ungarn.

Die Ukraine kämpft um die Unterstützung durch Europa. Ganz oben steht die Forderung nach Waffen und Munition im Krieg gegen die russischen Truppen. In dieser Woche soll Brüssel zudem ein wichtiges Signal in Richtung Kiew senden. Auf dem bevorstehenden EU-Gipfel wird über den Start von EU-Beitrittsverhandlungen entschieden, doch wegen eines drohenden Vetos aus Ungarn zeichnen sich massive Problem ab. Auch deshalb war der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zu einem Treffen mit seinen EU-Kollegen nach Brüssel gereist. Im Falle eines negativen Votums warnte er vor „verheerenden Konsequenzen“, es wäre ein schwerer Schlag ins Gesicht der Menschen in der Ukraine.

Kiew hebt die eigenen Fortschritte hervor

Kuleba unterstrich noch einmal, dass sein Land trotz des Krieges große Fortschritte in Richtung Beitritt gemacht habe. „Von den vier Gesetzen, deren Einführung die EU-Kommission bis März von der Ukraine gefordert hat, sind drei vom Parlament angenommen und vom Präsidenten unterzeichnet worden“, erklärte der Außenminister. Dazu gehörten neben Gesetzen zur Korruptionsbekämpfung auch die von Ungarn geforderten Regeln zur Bildung und zum Gebrauch der Sprachen nationaler Minderheiten. Auch das noch fehlende Gesetz zur Eindämmung des Einflusses von Lobbyisten sei auf einem guten Weg.

Massiver Widerstand gegen den Start der Beitrittsgespräche kommt allerdings vom ungarischen Premierminister Viktor Orbán. Er schlägt stattdessen Gespräche über eine „strategische Partnerschaft“ vor. „Es lohnt sich nicht, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, weil wir die Frage, welche Konsequenzen eine Mitgliedschaft der Ukraine hätte, nicht beantworten können“, sagte Orbán jüngst in einem Radio-Interview. Im Rahmen der von ihm vorgeschlagenen Partnerschaft könne die Ukraine über einen Zeitraum von „fünf bis zehn Jahren“ schrittweise an die EU herangeführt werden. Sein Fazit: „Der Abstand ist heute zu groß.“

Zweifel an einem schnellen Beitritt

Zweifel an einem schnellen Beitritt der Ukraine zur EU schürt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die am Montag veröffentlicht wurde. Danach würden bei einer Vollmitgliedschaft über Agrarsubventionen und Kohäsionszahlungen für strukturschwache Gebiete bis zu 17 Prozent des gemeinsamen Haushalts der Europäischen Union in das Land fließen. Der mehrjährige Gemeinschaftsetat der EU umfasst von 2021 bis 2027 rund 1,1 Billionen Euro. „Angesichts dieses Volumens müsste die EU bereit sein, sich zu reformieren“, schreiben die IW-Experten in dem Bericht weiter. Nur so könne die politische Entscheidung, die Ukraine mit einer Beitrittsperspektive enger an sich zu binden, glaubwürdig sein. Seit Jahren werden in Brüssel immer wieder Anläufe genommen, die EU zu reformieren – bisher allerdings vergeblich.

Spekuliert wird in Brüssel allerdings auch, dass es sich bei den Einwänden Viktor Orbáns schlicht um einen Erpressungsversuch handelt. Denn noch immer sind mehr als 25 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln für Ungarn eingefroren, weil die Regierung seit Jahren den Rechtsstaat aushöhlt, die Demokratie demontiert und viele Gelder offenbar in schwarzen Kanälen verschwinden. Im Moment wird in Brüssel die Freigabe der Mittel geprüft und es gibt Anzeichen dafür, dass zumindest ein Teil der Mittel fließen wird.

Die beschädigte Glaubwürdigkeit der EU

Die EU-Staaten selbst sind in ihrer Haltung gegenüber Ungarn gespalten. Lettlands Außenminister Krisjanis Karins plädierte am Montag dafür, die Milliardenhilfen für Ungarn freizugeben. Es müssten im Streit mit Budapest endlich Fortschritte erzielt werden. Andere Staaten fürchten allerdings um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis äußerte sich am Montag empört über die Blockadedrohungen aus Budapest. Er könne die ungarische Position nur so verstehen, dass die Regierung „gegen Europa ist und gegen alles, wofür Europa steht“, sagte er. Wenn sich Viktor Orbán mit seinem Handeln durchsetze, könnten „dunkle Zeiten“ vor der EU liegen.