Vor dem Hintergrund des RAF-Terrors, dem Hanns Martin Schleyer zum Opfer fiel, hat die Stadt Esslingen die Mettinger Brücke 1978 nach dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten benannt. Grüne und Linke fordern nun, das Nachfolge-Bauwerk anders zu benennen.
Mit dem Ende der Sommerferien soll der Neubau der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke, die die Stadtteile Mettingen, Brühl und Weil verbindet, für den Verkehr freigegeben werden. Grüne und Linke im Esslinger Gemeinderat finden, die Brücke könne „nicht weiterhin nach einer Person benannt sein, deren NS-Vergangenheit mittlerweile sehr gut erforscht und öffentlich ist“. Mit der Wiedereröffnung biete sich die Gelegenheit, ein Zeichen für eine zeitgemäße Erinnerungskultur in unserer Stadt zu setzen, erklärt der Vize-Vorsitzende der Grünen-Ratsfraktion, Andreas Fritz, der die Initiative auf den Weg gebracht hat. Unterstützung bekommt er von Linke-Fraktionschef Tobias Hardt, der den Antrag mit unterzeichnet hat: „Hanns Martin Schleyer war kein bloßer Mitläufer des NS-Terrorregimes“, so Hardt. „Er war für die Entrechtung von Juden zuständig und wusste aller Wahrscheinlichkeit auch von deren Ermordung.“
Kritischer Blick auf historische Rolle
Einen ähnlichen Vorstoß hatten der frühere OB-Kandidat Gebhard Mehrle und der Musiker Jörg Krauß bereits vor einigen Wochen gestartet. In einem Schreiben an die Verwaltung und den Gemeinderat hatten sie betont: „Die Umbenennung wäre ein Akt der Ehrlichkeit, gerade auch vor unseren Versäumnissen in der Vergangenheit.“ Und mit Blick auf Schleyers Rolle in der NS-Zeit waren sie zu dem Schluss gelangt: „Wer in all diesen Positionen sich als strammer Nationalsozialist präsentiert – der kann grundsätzlich nicht mit dem Namen auf einer Straße, Brücke oder Halle geehrt werden.“
Grüne und Linke finden, dass die Benennung einer Brücke nach Schleyer nicht mehr zeitgemäß sei: „Als die Mettinger Brücke im Jahr 1978 von der Stadt Esslingen einen neuen Namen bekam, geschah dies vor dem Hintergrund des mörderischen und staatsverachtenden Terrors der RAF, dem Schleyer zum Opfer fiel. Die Namensgebung war eng mit der richtigen Intuition verbunden, dass ein Rechtsstaat und eine Demokratie wehr- und standhaft gegenüber Terror sein müssen.“ An den Morden der RAF gebe es nichts zu relativieren – weder aus politischen, historischen noch moralischen Gründen. „Das Dilemma bei der Person Schleyers besteht darin, dass sie selbst aktiv einem terroristischen und menschenverachtenden System treu und von der ersten Stunde an diente: der NS-Diktatur mit ihren unvorstellbaren Verbrechen. Diese NS-Vergangenheit Schleyers wurde über viele Jahre hinweg tabuisiert“, so Fritz, der sich einen gemeinsamen Antrag aller Ratsfraktionen gewünscht hätte.
„Signal für eine starke Demokratie“
Für die zukünftige Benennung des Brückenbauwerks soll die Stadtverwaltung Vorschläge machen, heißt es im gemeinsamen Antrag von Grünen und Linken. An der Namensfindung soll auch die Bürgerschaft mitwirken können. Außerdem regen die Antragsteller an, dass die Stadt mit Hilfe von Hinweistafeln an der Brücke auf die Komplexität des Themas Terror in der jüngeren deutschen Geschichte hinweisen soll. So könnten „auf einer im gedanklichen Sinne neuen Brücke gegen den Terror“ diese besonderen, schwierigen und komplexen Teile jüngerer deutscher Geschichte an einem konkreten Ort fassbar gemacht werden. „Es braucht solche neuen Formen des Erinnerns, denn sie stärken die Demokratie und machen sie wehrhaft gegen Angriffe, die zum Ziel haben, diese zu destabilisieren“, findet Andreas Fritz.