Die Aufklärung des EnBW-Deals geht in die entscheidende Phase. Ein Gutachten des Münchner Finanzwissenschaftlers Wolfgang Ballwieser rückt das Geschäft von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus in ein denkbar schlechtes Licht. Was bisher geschah und wie es weitergeht.
Die Aufklärung des EnBW-Deals geht in die entscheidende Phase. Ein Gutachten des Münchner Finanzwissenschaftlers Wolfgang Ballwieser rückt das Geschäft von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus in ein denkbar schlechtes Licht. Was bisher geschah und wie es weitergeht.
Stuttgart - Worum geht es beim EnBW-Deal?
Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) kaufte im Herbst 2010 binnen weniger Tage dem französischen Energiekonzern EdF den 45-Prozent-Anteil an der EnBW ab. Der Preis für das Aktienpaket lag bei 4,7 Milliarden Euro. Mappus sagte zur Begründung, er habe verhindern wollen, dass die verkaufsbereite EdF den Anteil an einen anderen ausländischen Investor abgibt. Der Deal lief geheim unter dem Codewort „Olympia“. Um, wie von den Franzosen gefordert, eine Abstimmung im Landtag zu umgehen, zog Mappus sogar das sogenannte Notbewilligungsrecht. Es ist sonst nur für Ausnahmefälle wie Naturkatastrophen vorgesehen. Der Staatsgerichtshof verurteilte die Nichtbeteiligung des Landtags später als verfassungswidrig. Um die Hintergründe des Milliarden-Deals zu erfahren, setzte der Landtag den EnBW-Untersuchungsausschuss ein, der erstmals im Dezember 2011 tagte und bis heute nicht abgeschlossen ist.
Welche Konsequenzen gibt es bislang?
Im Juli 2012 eröffnete die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren gegen Mappus wegen des Verdachts der Untreue. In der Folge begannen auch Ermittlungen gegen den ehemaligen Finanzminister Willi Stächele und den damaligen Staatsminister Helmut Rau (beide CDU) wegen Beteiligung am Deal. Auch gegen Dirk Notheis, damals Chef der Investmentbank Morgan Stanley, wird ermittelt. Der Mappus-Freund ist die Schlüsselfigur, weil er das Geheimgeschäft organisierte und zur Schaltstelle zwischen Mappus und der Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz wurde. Sie beriet Mappus und hatte Ende 2010 keine Bedenken geäußert, das Geschäft ohne Landtagsbeteiligung umzusetzen.
Welche Gutachten gab es bisher?
Inzwischen gibt es zahlreiche Untersuchungen zum EnBW-Deal. Der Rechnungshof des Landes rügte die Vorgehensweise von Mappus und warf ihm vor, er habe gegen die Grundsätze der Landeshaushaltsordnung verstoßen. Ein Gutachten im Auftrag der Landesregierung kam zu dem Ergebnis, Mappus habe sich eine „überteuerte Transaktion“ geleistet – mutmaßlich, so Grün-Rot, um kurz vor der Landtagswahl 2011 einen politischen Erfolg zu erzielen. Auch ein Gutachten im Auftrag von CDU und FDP analysierte, der Kaufpreis sei seinerzeit nicht sorgfältig genug ermittelt worden, letztendlich sei der Preis von 41,50 Euro pro EnBW-Aktie aber im Rahmen gewesen. Genau das bestreitet nun aber der Münchner Finanzwissenschaftler Wolfgang Ballwieser. Er hat in den vergangenen Monaten im Auftrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart das Geschäft untersucht. Die zwei zentralen Aussagen seines 70-seitigen Gutachtens: Zum einen habe die EnBW damals in ihrer Unternehmensplanung eine viel zu optimistische Strompreisentwicklung zugrunde gelegt. Zum anderen sei der Wert der EnBW zum Zeitpunkt des Geschäfts (also am 6. Dezember 2010) bei 34,58 Euro pro Aktie gestanden, das Land habe aber 41,50 Euro bezahlt. Mappus habe also rund 780 Millionen Euro zu viel Steuergelder an die EdF nach Paris überwiesen.
Was sagt das Gegengutachten aus?
Kaum ist die Expertise von Ballwieser – die von der Staatsanwaltschaft noch als geheim eingestuft wird – am Donnerstag beim Untersuchungsausschuss, legen die Anwälte von Notheis ein Gegengutachten von Henner Schierenbeck, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Basel, vor. Das Ballwieser-Gutachten sei „einseitig, fehlerhaft und methodisch unzureichend“, heißt es. Schierenbeck verweist auf fünf unterschiedliche Analysemodelle, mit denen er den EnBW-Deal nochmals untersucht habe. Sein Ergebnis: Der EnBW-Wert habe am Tag des EnBW-Deals zwischen 40,73 und 67,73 Euro pro Aktie gelegen. Soll heißen: Mappus hat mit 41,50 Euro einen guten Preis ausgehandelt.
Wie sehen die juristischen Konsequenzen aus?
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sagt am Donnerstag, ein Ende der Ermittlungen gegen Mappus und Co. sei völlig offen. Man werde das Ballwieser-Gutachten „in den nächsten Wochen auswerten und dann in die strafrechtliche Beurteilung einbeziehen“. Zudem werden noch Akten aus Frankreich erwartet. Soll heißen: In einigen Wochen, vielleicht auch erst Monaten wird entschieden, ob Anklage gegen Mappus und die anderen Beteiligten wegen des Straftatbestands der Untreue erhoben wird. Die dafür entscheidende Frage wird sein: Hat Mappus bei dem Deal einen Schaden in Kauf genommen? Er selbst hat stets beteuert, im Interesse des Landes gehandelt zu haben. Unabhängig davon hält Grün-Rot an der Klage vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris fest. Das Land will von der EdF rund 834 Millionen Euro vom Kaufpreis zurück. „Wir sind den Steuerzahlern in Baden-Württemberg schuldig, das zu viel bezahlte Geld zurückzuholen“, sagt Finanzminister Nils Schmid (SPD).
Welche Reaktionen gibt es?
„Herr Mappus hat 780 Millionen Euro zu viel bezahlt. Das bestätigt unsere Vermutungen vom überhöhten Kaufpreis in vollem Umfang“, sagt Uli Sckerl (Grüne) und folgert: „Das Gutachten trägt nicht zur Entlastung von Herrn Mappus bei.“ Sascha Binder (SPD) giftet, das Gutachten zeige, „dass die CDU nicht mit Geld umgehen kann“. Mit den von Mappus zu viel bezahlten Steuergeldern könne man ein Jahr 14 000 Lehrerstellen oder 123 Straßenbaumaßnahmen im Land finanzieren. „Die CDU hat mit dem Deal dem Land schweren Schaden zugefügt.“ Und was sagt die CDU? Alexander Throm räumt ein, man sei „bestürzt vom Ergebnis des Gutachtens“. Es stelle sich die Frage, „wie verlässlich die Angaben der EdF zum Wert der EnBW damals waren“. Nun bestehe „dringender Erklärungsbedarf“ bei Morgan Stanley und Gleiss Lutz. „Ich sehe sie in der Verantwortung, und das werden wir einfordern.“ Im Klartext: Wenn die Experten den Ministerpräsidenten falsch beraten haben, „kommt eine Zivilklage wegen Pflichtverletzung infrage“. Mappus selbst hält seinen Unmut am Donnerstag erst einmal in Grenzen. Man nehme das Ballwieser-Gutachten „mit Erstaunen und Befremden zur Kenntnis“, teilen seine Anwälte mit. „In einer Reihe von Punkten“, so betonen sie bitterböse, „wird es den Anforderungen an ein neutrales Gutachten nicht gerecht.“