Landtagspräsident Willi Stächele Foto: dpa

Gericht nennt EnBW-Deal verfassungswidrig. Stächele will aber nicht zurücktreten.

Stuttgart - Die alte baden-württembergische Landesregierung hat beim Ankauf des EnBW-Aktienpakets gegen die Landesverfassung verstoßen. Der Staatsgerichtshof entschied am Donnerstag in Stuttgart, dass die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) beim Ankauf der Aktien Parlamentrechte verletzt hat.

Die abgewählte Regierung unter Mappus hatte sich beim Ankauf von über 45 Prozent der EnBW-Aktien auf der Notbewilligungsrecht des Finanzministers berufen und den Landtag in das Geschäft nicht mit einbezogen. Daraufhin reichten die früheren Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen noch vor der Landtagswahl im März Klage ein.

Beklagter in dem Streit ist nach dem Regierungswechsel kurioserweise allerdings nicht mehr der damalige Finanzminister Willi Stächele, sondern der heutige Amtsträger Nils Schmid (SPD), der damals die Klage mit eingereicht hatte. Mappus, der sich aus dem politischen Geschäft zurückgezogen hat und für den Pharma-Konzern Merck nach Brasilen geht und Stächele waren nicht als Zeugen geladen.

Gericht: Keine besondere Eile erkennbar

Der Vorsitzende Richter Eberhard Stilz betonte die „herausragende Bedeutung des Haushaltsrecht“ und stellte fest, die Landesregierung habe sich zu Unrecht auf das Notbewilligungsrecht des Finanzministers gestützt. Laut dem in Artikel 81 der Landesverfassung verankerten Notbewilligungsrecht kann der Finanzminister außerplanmäßigen Ausgaben erst mit nachträglicher Genehmigung des Landtags zustimmen, allerdings nur „im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“.

Laut Staatsgericht hätte sich der Finanzminister nur in Fällen großer zeitlicher Eile auf das Notbewilligungsrecht stützen dürfen. Eine besondere Eile sei in diesem Fall aber weder vorgetragen worden, noch habe dies der Staatsgerichtshof feststellen können.

Auch Kursschwankungen am Kapitalmarkt noch Geheimhaltungsprlichten gegenüber den Vertragspartner könnten keine Rechtfertigung dafür sein, auf eine vorrangige Entscheidung des für Budgetfragen zuständigen Parlaments zu verzichten. Um künftig Schwierigkeiten bei Geschäften ähnlicher Art zu vermeiden, brauche es neue Lösungswege, sagte Stilz. Die Klärung dieser Frage stehe aber nicht dem Staatsgerichtshof, sondern allein dem Parlament zu.

Grüne und SPD fordern Stächele zum Rücktritt auf

Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Finanzminister Nils Schmid (SPD) und die Fraktionen von SPD und Grünen begrüßten das Urteil. Kretschmann erklärte in Bukarest während seiner Delegationsreise, dies sei ein guter Tag für die Demokratie in Baden-Württemberg. „Es kann und darf nicht sein, dass eine Regierung Geschäfte in solchen Größenordnungen in Nacht- und Nebelaktionen am Landtag vorbei tätigt“, betonte er.

Die parlamentarischen Geschäftsführer beider Fraktionen forderten Stächele zum Rücktritt auf. „Wir erwarten, dass Herr Stächele von seinem Amt als Landtagspräsident zurücktritt“, sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Ullrich Sckerl. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Andreas Stoch, ergänzte, Stächele könne nach diesem Urteil seine Aufgabe als Hüter der Parlamentsrechte nicht mehr glaubhaft wahrnehmen.

Stächele kann keinen Fehler erkennen

Stächele wies diese Forderung zurück und verteidigte die Entscheidung zum Ankauf. „Ich weiß, dass ich damals nach bestem Wissen und Gewissen geprüft habe“, sagte er in Bukarest während einer Delegationsreise. Er wolle nun erst die Gründe des Staatsgerichtshof hören, die zu dem Urteil führten.

Auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk lehnte Stächeles Rücktritt ab. Die Frage stelle sich gar nicht. Dass die heutige Landesregierung das Aktienpaket auf Dauer behalten wolle, legitimiere den Ankauf nachträglich als politisch richtig. Außerdem hätten Grüne und SPD trotz der Klage Stächele zum Landtagspräsidenten gewählt.

Hauk betonte zudem, der Staatsgerichtshof habe auf eine „eklatante Lücke in der Landesverfassung“ hinsichtlich solcher Fälle hingewiesen. Er rief die anderen Fraktionen dazu auf, sich auf eine Verfassungsänderung zu verständigen.