Junge Menschen aus Italien, Frankreich und Deutschland gehen bei der Zukunftskonferenz in den Austausch miteinander. Foto: Annette Krause

Zur Jubiläumsfeier des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg treffen sich junge Menschen aus Italien, Deutschland und Frankreich. Sie wollen das gemeinsame Europa zu neuem Leben erwecken.

Wenn am 3. Juli das 75-jährige Bestehen des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg gefeiert wird, kommen auch neue Ideen für das europäische Miteinander auf den Tisch. Bei einer Zukunftskonferenz setzen junge Deutsche, Franzosen und Italiener Impulse für die schwierig gewordenen Beziehungen auf politischer Ebene – ganz im Sinne der einstigen Vordenker, die den Einigungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg in Ludwigsburg mit auf den Weg brachten.

Die Zukunftskonferenz Im Jubiläumsjahr fördert das Deutsch-Französische Institut (DFI) den Dialog junger Bürger. Zum Auftakt trafen sich zwei Gruppen mit Teilnehmern aus drei Kernländern der Europäischen Union, um über brennende Themen zu diskutieren: Klimaschutz, Energie, den Schutz der Natur und gesellschaftliche Verantwortung. Für viele Teilnehmer sind das nicht nur große Worte, viele davon engagieren sich bereits ehrenamtlich. Wie etwa Giorgio Pasini, der aus der Nähe von Bergamo angereist ist. Der 24-jährige Italiener und Computerspezialist organisiert in den Wäldern rund um seine Heimatstadt Pflegeaktionen: „Wir müssen schon auch etwas beisteuern, damit uns die Natur und unser Leben erhalten bleiben.“

Zwischen 15 und 26 Jahre sind die jungen Leute alt, die über das Netzwerk des DFI als Multiplikatoren in ihren Kommunen und ihrem Umfeld fungieren. Wie etwa die Schülerinnen und Schüler der Waldschule in Stuttgart Degerloch und der Oscar-Walcker- Schule in Ludwigsburg, wo die Diskussionsthemen im Unterricht fortgeführt werden sollen. Im Fokus steht auch der Vorschlag des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, eine soziale Pflichtzeit einzuführen – zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts.

Das Soziale Jahr Viele Schüler, Studenten und Berufseinsteiger sind offen für die Idee Steinmeiers. Viele pochen aber auch auf Freiwilligkeit, etwa bei der Frage nach der Dauer des Engagements. Einige wollen einen verpflichtenden Dienst nicht direkt nach der Schulzeit, weil für sie in dieser Lebensphase das berufliche Weiterkommen im Vordergrund steht.

Eine erste Bilanz nach der Diskussion der internationalen Gruppe mit acht Italienern, acht Deutschen und sieben Franzosen ergab, dass sich nur fünf Heranwachsende gänzlich gegen einen verpflichtenden Sozialdienst aussprechen. Die Mehrheit ist dazu bereit im jeweiligen Land freiwillig in einer sozialen Einrichtung mitzuhelfen, hat einen solchen Dienst schon hinter sich oder plant diesen.

In der deutschen Diskussionsgruppe, die vor zwei Wochen getagt hat, befürworteten viele „einen zeitlich flexiblen Einsatz in einer sozialen Einrichtung“ – etwa von drei bis sechs Monaten mit der Möglichkeit einer Verlängerung – sowie „bei ausreichender Bezahlung“. Andere wiederum konnten sich vorstellen, das soziale Thema stärker in den Schulen zu verankern und plädierten je nach Interesse für mehr Begegnungen mit älteren oder behinderten Menschen

Der Wunsch nach Individualität ist unter Jugendlichen verbreitet. „Es wird deutlich, dass es um die Karriere geht, dass manche Zukunftsängste haben und ihre Lebenssituation als nicht so stabil ansehen“, sagt Stefan Seidendorf, stellvertretender DFI-Direktor.

Meinungsumfrage und Bilanz In einer Meinungsumfrage, in welche alle Teilnehmer der Zukunftskonferenz einbezogen werden, will das DFI mit dem Institut Allensbach & Partner in Deutschland, Frankreich und Italien die Sorgen, Erwartungen und Hoffnungen der Bevölkerung ermitteln. Dabei geht es auch um Fragen der Migration, der künftigen Lebensbedingungen und der Kooperation auf kommunaler und europäischer Ebene.

Die Federführung obliegt dem Co-Direktor des Zukunftswerks, dem DFI-Chef Frank Baasner. Baasner möchte mit seinem Team helfen, das Verständnis und das Miteinander in Europa zu verbessern. Die Ergebnisse der Diskussionen am DFI und der Umfrage werden zusammengeführt. Eine Bilanz soll zur 75-Jahr-Feier am 3. Juli gezogen und den prominenten Gästen vorgestellt werden. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron sei dazu eingeladen, so Seidendorf. Ob er komme, sei bisher allerdings nach wie vor fraglich, genauso wie die Teilnahme von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Die Terminierung der Jubiläumsfeier im Ludwigsburger Schloss habe aufgrund der Prominenz angepasst werden müssen, lässt DFI-Co-Direktor Seidendorf durchblicken. Die Gründungsversammlung fand eigentlich an einem 2. Juli statt. Dass sie überhaupt über die Bühne ging, ist zwei Brüdern im Geiste zu verdanken, nämlich dem Romanist und Historiker Fritz Schenk wie auch dem einstigen Oberbürgermeister Elmar Doch. In Worte gefasst lautete Schenks Erbe, das im Jubiläumsjahr engagiert fortgeführt wird: „Die Menschen müssen sich treffen, müssen miteinander reden, sich kennenlernen, um sich besser zu verstehen“.

Anlaufstelle für Universitäten und Jedermann

Beratung
Frank Baasners Vorgänger, Robert Picht, eröffnete 1990 die Frankreich-Bibliothek. Derzeit 20 Mitarbeiter sammeln, dokumentieren, archivieren, bereiten Informationen und publizieren. Das Angebot nutzen Universitäten, Schulen, Studenten, Politiker, Journalisten Medien und viele andere. Es gibt Vorträge, Tagungen, Studienreisen. Lob kommt aus berufenem Munde vom französischen Politologen Henri Ménudier: „Das DFI ist das beste Forschungszentrum in Deutschland und Frankreich.“

Träger
Das DFI, ein gemeinnütziger Verein mit derzeit hundert Mitgliedern und einem Jahresbudget von rund zwei Millionen Euro, ist finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet. Er ist zu etwa 30 Prozent seines Etats auf Sponsorengelder, Spenden und Stiftungsmittel angewiesen. Die Zuschüsse von der Stadt vom Land Baden-Württemberg und vom Bund, die gleichzeitig auch die Träger sind, decken rund 70 Prozent der laufenden Kosten. „Wir sind chronisch unterfinanziert“, bilanziert Frank Baasner, der froh ist, unter den Mitgliedern und Freunden auch zahlungskräftige Unternehmen aus Deutschland und Frankreich zu wissen. Das DFI ist in seiner Form in Deutschland das erste gewesen und einzige geblieben. Ein Pendant in Frankreich oder anderen Ländern gibt es nicht.