Ein sinnstiftender, klimafreundlicher Beruf und eine gute Arbeitsatmosphäre sind besonders der jüngeren Generation wichtig. Foto: Imago/Westend61

Die 31-Jährige Sophia Kloss hat ihren Job bei einem traditionellen Energieversorger wegen Gewissensbissen gekündigt. Unternehmen wie Lapp Kabel in Stuttgart reagieren darauf, dass das Klima immer mehr Menschen wichtig ist.

Auf den ersten Blick wirkte der Energieversorger, bei dem Sophia Kloss vier Jahre als Grafikdesignerin gearbeitet hat, auf sie innovativ. Die Düsseldorferin entwarf Marketingmaterialien, erstellte Social-Media-Inhalte und drehte Videos, die das Unternehmen in möglichst gutem Licht dastehen lassen sollten. Dass der Hauptteil des Stroms aus fossilen Energiequellen stammt, musste dabei verschwiegen oder schöngeredet werden, erinnert sich Sophia Kloss.

Das Problem: Das Unternehmen passte nicht zu ihren Werten. Die 31-Jährige sagt, sie versuche, möglichst nachhaltig zu leben. Sie ernährt sich vegan und vermeidet so gut es geht Plastik. „Nicht nur im Privaten wollte ich etwas bewegen können, sondern auch im Beruf.“ Als Demonstranten sich vor dem Firmengebäude versammelten, war Sophia Kloss klar: Sie musste kündigen.

Ethischer Arbeitgeber ist wichtiger als Geld

Climate Quitting: So heißt das, was Sophia Kloss gemacht hat. Zu kündigen, weil das Unternehmen dem Klima schadet oder zu wenig tut. Eine Umfrage von Lufthansa Industry Solutions aus dem Jahr 2022 zeigt, dass ein Jobwechsel im Sinne des Klimaschutzes inzwischen häufiger vorkommt. Die Beratungsfirma hat dafür 1075 Arbeitnehmer in Deutschland befragt. 71 Prozent würden sich kurz- bis mittelfristig eine neue Stelle suchen, wenn ihr aktueller Arbeitgeber gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstößt. Für 61 Prozent ist ein ethisch agierender Arbeitgeber wichtiger als ein möglichst hohes Gehalt. Auch in einer Studie im Auftrag von Paul Polman, Co-Vorsitzender der Globalen Kommission für Wirtschaft und Klima, gaben 35 Prozent der Befragten in den USA und Großbritannien an, schon einmal einen Job an den Nagel gehängt zu haben, weil die Werte nicht zu den eigenen passten.

Auch Banken wollen Klimaengagement sehen

Für Katja Hofmann steht fest: Firmen müssen sich stärker für den Klimaschutz einsetzen. Die Stuttgarterin berät Unternehmen, die nachhaltiger werden wollen. Zu ihren Kunden zählen Sprachschulen, Maschinenbauunternehmen, Architekturbüros oder Privatkellereien. „Niemand kommt heute um das Thema herum“, sagt Hofmann.

Besonders jenen Unternehmen, deren Branche nicht direkt mit Umwelt- und Klimaschutz verknüpft werde, falle es schwer, jüngere Menschen zu gewinnen. „Viele Bewerber achten bei der Auswahl des Arbeitgebers darauf, ob er sich für den Klimaschutz einsetzt oder nicht.“ Druck kommt aber auch noch von einer anderen Seite: Bankinstitute würden eher Kredite vergeben, wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen und Ziele belegen können. „Für Banken ist das ein Zeichen für Kreditsicherheit und eine klare Unternehmensstrategie“, sagt Hofmann.

Gesetze zwingen Unternehmen zum Handeln

Firmen rät sie, Nachhaltigkeit nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben anzupacken und möglichst viele Mitarbeiter einzubeziehen. „Sie sind oft näher an der Praxis dran und haben gute Ideen“, sagt Hofmann. Auch der Stuttgarter Kabel- und Verbindungstechnikhersteller Lapp ist so vorgegangen. Auch, weil mehr und mehr Bewerber nach Nachhaltigkeit im Unternehmen fragen würden, sagt Maria Dobritzsch, die bei Lapp für Nachhaltigkeit zuständig ist.

Auch gesetzlich sind Betriebe dazu verpflichtet, sich mit Umweltschutz und Arbeitsbedingungen zu beschäftigen. Seit 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden das deutsche Lieferkettengesetz befolgen. Für Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden wie Lapp mit um die 1000 Angestellten in Deutschland gilt es ab 2024. Firmen haften damit für Menschen- und Klimarechtsverstöße in ihrem eigenen Geschäftsbereich; auch Geschäftsbeziehungen und die Produktion der unmittelbaren Zulieferer müssen in den Blick genommen werden.

Sophia Kloss arbeitet jetzt bei einem Ökostromanbieter

Ab 2024 gilt für viele Firmen zudem die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Betriebe müssen dann ihre Auswirkung auf Mensch und Umwelt dokumentieren. Viele Daten, die der Stuttgarter Mittelständler Lapp einreichen muss, werden zwar bereits erhoben. Allerdings ist das aufwendig. „Wir arbeiten aktuell daran, eine Software einzuführen, um so die Zahlen an allen Produktions- und Vertriebsstandorten einheitlich zu erheben“, erklärt Dobritzsch.

Die Climate-Quitterin Sophia Kloss setzt sich heute nicht mehr nur im privaten Umfeld für das Klima ein. Sie ist in der Branche geblieben – und hat trotzdem die Seiten gewechselt. Sie arbeitet jetzt in der Marketingabteilung eines Ökostromanbieters. Deutlich mehr Gehalt als bei ihrem früheren Arbeitgeber erhalte sie nicht. Dafür habe sie Kollegen, denen Umwelt und Klima genauso wichtig sind wie ihr.

Gegen Greenwashing

Schutz
Unternehmen, die mit überspitzten Nachhaltigkeitsbemühungen und verschönten Formulierungen werben, rät Beraterin Katja Hofmann zur Vorsicht. Denn wenn Beschäftigte Missstände oder Rechtsverstöße wahrnehmen und diese publik machen, müssen Unternehmen mit Anzeigen rechnen. Das schade dem Image. Das im Juli in Kraft getretene Whistleblower-Gesetz schützt solche Hinweisgeber vor Benachteiligungen, Abmahnungen oder Kündigungen.

Skandal
Durch die Greenwashing-Richtlinie der Europäischen Union dürfen Unternehmen ihre Produkte nur als klimaneutral bewerben, wenn dies wissenschaftlich belegbar ist. Zuletzt stand die Drogeriemarktkette dm vor Gericht, weil sie Produkte wie Sonnenmilch und Flüssigseife aus dem Eigensortiment als klima- und umweltneutral bezeichnet hatte. Die Deutsche Umwelthilfe hatte dagegen geklagt. suj