Beim SPD-Parteikonvent stehen vor der Parteizentrale in Berlin Bürger, die gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP demonstrieren. Foto: dpa

Das Abkommen der EU mit Kanada, „Ceta“, ist besser als sein Ruf. TTIP, der Bruder, der mit den USA gerade ausgehandelt wird, kann es noch werden, findet Brüssel-Korrespondent Detlef Drewes.

Es sind jeweils nur vier Buchstaben. Doch hinter den Kürzeln Ceta und TTIP verbergen sich heftige Lobbyschlachten in Brüssel und Washington. Es geht um einen Milliardenhandel, um Chancen auf Millionen Jobs – aber eben auch um die großen Sorgen vieler Bürger in Europa, dass Politik und Wirtschaft sie hinter den Kulissen über den Tisch ziehen. Und die EU blamiert sich. Wenn die Spitzen der Union an diesem Freitag in Kanada den Abschluss der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen Ceta verkünden, kommt das einer Irreführung der Partner in Übersee gleich. Zentrale Punkte des Vertrags sind nicht geklärt. Die Hoffnung auf ein zügiges Inkrafttreten bleibt eine Illusion. Wenn die Vereinbarung nämlich tatsächlich noch von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss, weil in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingegriffen wurde, dürften noch Jahre vergehen, bis der Freihandel endlich beginnt.

Ein gelungener Probelauf für das TTIP-Projekt mit den USA sieht anders aus. Dabei geht es keineswegs nur um das Chlorhühnchen als Symbol für Verbraucherschutzvorschriften, um die die Union lange gerungen hat und die deren Bürger nun nicht opfern wollen. Die umstrittenen Klauseln zum Investitionsschutz wurden zwar modernisiert, bleiben aber trotzdem eine latente Gefahr für die Herrschaft von Unternehmen über den Staat. Diese Angst hat den Menschen bisher niemand wirklich nehmen können.

Dabei wäre die Chance dafür da gewesen. Nicht einmal in der Führungsetage der EU ist man sich einig, wie man sich in der Frage verhalten soll. Der Handelskommissar nennt das Ergebnis seiner Gespräche in beiden Verträgen das „Modernste und Transparenteste, was es gibt“. Jean-Claude Juncker, der nächste Chef der Europäischen Kommission, äußerte sich dagegen ganz anders, aber ohne seinen Standpunkt mit Argumenten zu belegen. Wer hat recht? Wer hat unrecht? Was bei den Bürgern ankommt, deutet auf einen undurchschaubaren Paragrafendschungel hin, bei dem am Ende die Wirtschaft ihre Interessen durchsetzen kann. Das ist zwar nicht so, aber da es niemand mit einem Vertragstext belegen kann, bleibt viel Unsicherheit. Und ein Feindbild TTIP, auf Deutsch: Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen, dessen Schatten auch auf Ceta fallen.  

Dabei wird niemand etwas gegen die Inhalte des kanadisch-europäischen Papiers vorbringen können. Wer sollte die Abschaffung von Zöllen beklagen, mit denen Waren hüben wie drüben künstlich verteuert werden? Warum könnte man die erleichterte Entsendung von Arbeitnehmern ablehnen wollen oder der Harmonisierung von Normen für den Auto- und Maschinenbau widersprechen? Die Vorstellung eines gemeinsamen Markts mit einem gleichen Niveau an Verbraucherschutz, Umweltregeln und Abbau von Bürokratie kann allen Beteiligten nur nützen.

Doch die Politik hat mit den Investitionsschutzklauseln ein Instrument für die Verträge übernommen, das unter Partnern mit gleich entwickelten öffentlichen Justizsystemen nicht gebraucht wird.  In diesem Punkt haben die Kritiker recht. Ceta ist besser als sein Ruf, TTIP kann es noch werden. Wenn die EU ihre handelspolitischen Alleingänge endlich einstellt und mehr auf die Mitgliedstaaten hört. Dort aber müssen die EU-Unterhändler auf verlässliche Politiker bauen können, die nicht heute so und morgen anders reden. Beides ist geschehen und hat einen großen Anteil an der Verunsicherung über beide Abkommen. Das hat die Vereinbarungen mehr in Misskredit gebracht als manche Mythen, die sich nach und nach entkräften lassen.