Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl über sein Experiment, der Partei Frischzellen einzuimpfen. Foto: Leif Piechowski

Er fordert Ganztagsschulen, verteidigt die Homo-Ehe, und Frauenpolitik hat er zur Chefsache erklärt: Thomas Strobl will die CDU im Land modernisieren. Wir haben gefragt, wie ihm das gelingt.

Stuttgart - Er kommt leger in die Runde: mit Cordjackett und Karohemd, aber ohne Krawatte. Auch solche Äußerlichkeiten erinnern daran, dass der CDU-Landesvorsitzende nicht mehr automatisch Ministerpräsident ist – so wie das in Baden-Württemberg jahrzehntelang der Fall war.

Die Autorität des Regierungsamts fehlt Thomas Strobl, der seit Juli 2011 die CDU im Südwesten führt. Ja, nicht mal Fraktionsvorsitzender ist er im Landtag. Und doch hat schon lange niemand mehr die Partei so umgekrempelt wie der Bundestagsabgeordnete aus Heilbronn.

Oder sagen wir: Er sorgt dafür, dass sie sich umkrempelt. „Ich hab’ kein Problem damit, wenn in der Zeitung steht: Die CDU streitet“, sagt Strobl und lobt die neue Diskussionskultur vom Ortsverband bis hinauf zum Landesvorstand. Ob das Thema nun Homo-Ehe heißt oder Gleichstellung, Bürgerbeteiligung oder Ökologie: Die CDU ringt um den richtigen Weg, und der Vorsitzende betrachtet es mit Wohlgefallen.

Natürlich wolle die CDU wieder in die Regierung, ergänzt er, es solle auch niemand an ihrer Kampfbereitschaft zweifeln. Doch der 52-Jährige ist kein Basta-Typ, und nach allem, was die Partei mit ihrem Vorgänger Stefan Mappus erlebt hat, würde er damit wohl auch scheitern. Strobl: „Mein Thema ist die Debatte.“

„Die Grünen entwickeln sich nach links“

Wie ein gütiger Hausvater beschwichtigt er, wenn man einwendet, dass dieser Prozess ja keinesfalls reibungslos verläuft. „Ich weiß, dass ich für manche bis an die Schmerzgrenze gehe“, sagt er etwa mit Blick auf das neue Frauenförderprogramm. Mehr Frischzellen könne er der Partei nicht einspritzen, manchen seien es heute schon zu viel. Doch dann neigt er den Kopf zur Seite, schürzt die Lippen und sagt: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Doch was, wenn dieser Weg justament dorthin führt, wo andere längst sind – die Grünen zum Beispiel mit der Ökologie? Mit ihnen verwechselt zu werden, befürchtet Strobl nicht. „Die entwickeln sich doch nach links“, sagt er und nennt ihre Steuererhöhungspläne „Umverteilungswahn“. Das schade vor allem dem Mittelstand und mithin Baden-Württemberg. Auch finanz- und europapolitisch sieht er „hinreichend klare Unterschiede“.

Für Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann könne der Linksdrall ja wohl nicht gelten, erntet er Widerspruch. Ja, aber das, was Kretschmann als Person verkörpere, habe wenig mit der Politik der Grünen zu tun, gibt Strobl zurück. Bei Stuttgart 21 zum Beispiel lasse er die Sache treiben und nehme in Kauf, dass seine Partei weder Parlamentsbeschlüsse noch Volksabstimmungen akzeptiere. Die Landesregierung sei gleichzeitig für und gegen das Projekt. Das Motto „Mir gebet nix“ sei jedenfalls zu wenig.

„Die jüngsten Vorgänge sind nicht das, was ich mir gewünscht habe“

Aber auch in der Haushaltspolitik grenzen sich die Christdemokraten klar von Grün-Rot ab. Es passe einfach nicht zu Baden-Württemberg und dessen bürgerlicher Gesellschaft, wenn die Regierung dreieinhalb Milliarden Euro neue Schulden bis 2014 mache.

So also soll sie sein, die neue CDU, wenn es nach Strobl geht: kämpferisch und kritisch, zugleich aber selbstkritisch und thematisch breiter aufgestellt. Und glaubt man den Worten ihres Vorsitzenden, dann wimmelt es im Landesverband nur so von „hochbegabten und interessanten Talenten“. Schöne neue CDU-Welt – doch in der schnöden Wirklichkeit straucheln die Christdemokraten dann über selbst gestellte Fallstricke. Indem ihr Vorsitzender des EnBW-Untersuchungsausschusses zum Beispiel geheime Akten an den Hauptzeugen Stefan Mappus weitergibt.

„Die jüngsten Vorgänge sind nicht das, was ich mir gewünscht habe“, sagt Strobl zerknirscht. Aber die CDU habe die Lage konsequent bereinigt: „Es gab nie den Versuch, etwas zu beschönigen.“ Er kenne kein einziges Parteimitglied, der Ulrich Müllers Vertrauensbruch nicht kritisiert hätte. Und mit Alexander Throm stelle die CDU ja nun einen jungen, unbelasteten Obmann für den Untersuchungsausschuss.

„Wir werden Angela Merkel ein ordentliches Paket abliefern“

Dass die alten Gräben noch tiefer werden und sich die Partei wie einst in Rheinland-Pfalz in zwei Lager spalten könnte, hält Strobl zwar nicht für völlig abwegig. Doch im Diskutieren sieht er dagegen den besten Schutz: „Man darf auch den Parteichef in der Sache kritisieren, ohne dass der sagt: Das ist doch ein schlechter Mensch.“

Diese Neuorientierung klappt seiner Ansicht nach umso besser, je weniger die Partei Personaldebatten führt. Sobald jemand das Wort Spitzenkandidat ausspricht, wird Strobl denn auch von einer seltenen Form spontaner Taubheit befallen. Er beschäftige sich mit dieser Frage nicht vor 2015, sagt er dann allenfalls.

Das Nahziel heißt jetzt ohnehin erst einmal Bundestagswahl. „Wir werden Angela Merkel ein ordentliches Paket abliefern“, verspricht der Landesvorsitzende. Auf Prozentzahlen will er sich zwar nicht festlegen, doch er erhebt den Anspruch, sämtliche Wahlkreise direkt zu erobern. 2009 errangen die Christdemokraten im Südwesten 37 von 38 Wahlkreisen und 34,4 Prozent der Zweitstimmen. Schon wegen der Größe und Bedeutung Baden-Württembergs komme es am 22. September auf die Landes-CDU an, sagt er. Er ist optimistisch: Schließlich wüssten die Menschen, dass sie etwas zu verlieren hätten.