Der Busverkehr zu Mercedes nach Sindelfingen ist ausgedünnt. Foto: SDMG/ Dettenmeyer

Weil in der Pandemie die Fahrgastzahlen zurückgehen, geben einige Busunternehmen den Werksverkehr für Mercedes-Mitarbeiter zum Standort Sindelfingen auf. Das Land sieht keine Möglichkeit, die Betroffenen zu unterstützen.

Sindelfingen - Dem öffentlichen Nahverkehr hat die Coronapandemie zugesetzt. Teilweise sind die Fahrgastzahlen im freien Fall. Bund und Länder haben flugs einen Rettungsschirm aufgespannt, um die Bus- und Bahnunternehmen von den Folgen des Passagierrückgangs zu entlasten. Eine Art von Transporten kommt aber nicht in den Genuss dieser staatlichen Unterstützung: Busunternehmen, die Werksverkehr fahren, also die im Land verstreut wohnenden Mitarbeiter großer Industrieunternehmen einsammeln und vor die jeweiligen Werkstore kutschieren, sind vom Rettungsschirm ausgenommen. Die betroffenen Transportunternehmen bringt das in die Bredouille.

Keine Zuschüsse für Busunternehmer

Dieser Werksverkehr wird eigenwirtschaftlich erbracht. Das heißt: Die Unternehmen müssen schauen, dass sie ihren Service kostendeckend anbieten können. Gleichzeitig unterliegen sie aber einer Bedienpflicht, wenn sie einen solchen Fahrdienst anbieten. Weil aber in Coronazeiten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter großer Unternehmen von zu Hause aus arbeiten, gingen die Zahlen bei den Werksverkehren drastisch zurück. Die Busunternehmer fühlen sich im Stich gelassen, der zuständige Verband schlägt Alarm.

„So wie es jetzt geregelt ist, lässt sich der Verkehr nicht mehr wirtschaftlich betreiben“, sagt etwa Franz Schweizer, Busunternehmer aus Waldachtal im Landkreis Freudenstadt und Vorstandsmitglied beim Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO). In einer Publikation des Verbandes hat er sich eindeutig positioniert: „Die Berufsverkehre gehören unter den ÖPNV-Rettungsschirm. Da dies nicht der Fall ist und weder Daimler noch die Aufgabenträger einspringen, bleibt den Verkehrsunternehmen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nichts anderes übrig, als die Befreiung von der Bedienungspflicht zu beantragen.“ Mit Zahlen ist man beim Verband zurückhaltend. Nur so viel wird klar: Zuletzt war es nicht einmal mehr eine vierstellige Zahl an Fahrgästen, die registriert wurden.

Der Verkehrsminister winkt ab

Schweizer baut auf Gespräche mit dem baden-württembergischen Verkehrsministerium. Dort ist das Problem nicht erst seit gestern bekannt. Bereits im Oktober 2020 hatte sich eine Unternehmerin an den für den ÖPNV zuständigen Abteilungsleiter Gerd Hickmann gewendet. Allerdings ist die Haltung der Behörde von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) unzweideutig: „Werksverkehre übernehmen nicht die Aufgabe einer öffentlichen Daseinsvorsorge, weshalb ein Ausgleich erlittener Schäden aus dem Rettungsschirm nicht möglich ist“, erklärt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Bund und Länder hätten für den Rettungsschirm „ein Regularium entwickeln müssen, das die ganz überwiegenden Schäden abdeckt und gleichzeitig handhabbar bleibt. An einigen Stellen mussten daher Eingrenzungen vorgenommen werden, die unter anderem die beschriebenen Werksverkehre betreffen“, sagt der Sprecher von Winfried Hermann. Das Regelwerk werde weiterentwickelt. Doch allzu gut dürften die Aussichten für die Unternehmer, die Werksverkehre fahren, nicht sein. „Die Einschränkung auf die klassischen Linienverkehre wird aber voraussichtlich bestehen bleiben.“

Wie viele Busunternehmen mittlerweile den Werksverkehr notgedrungen aufgegeben haben, weiß man im Ministerium nicht. Die Folgen für die politisch gewollte Verkehrswende weg vom Individual- und hin zum öffentlichen Verkehr hält man offensichtlich für überschaubar. „Das Verkehrsministerium geht nicht davon aus, dass hieraus dauerhafte Effekte in nennenswertem Umfang entstehen“, sagt der Sprecher und verweist zudem auf die angefahrenen Werke und Unternehmen, die in der Verantwortung stünden, „um diese Verkehre abzusichern“.

Mercedes gibt sich zurückhaltend

Doch auch bei Mercedes winkt man ab. „Die Busunternehmen, die die Schichtbusse betreiben, sind eigenständige Betriebe, die nicht von Mercedes-Benz geführt und entsprechend auch nicht finanziert werden“, erklärt Mercedes-Sprecherin Birgit Zaiser. Man stehe aber „im Austausch mit den lokalen Behörden und Verkehrsbetrieben, und wir berücksichtigen dabei die Mobilitätsbedarfe unserer Mitarbeiter“.

Die Sprecherin verweist darauf, dass man die Mobilitätsangebote an dem ausrichte, was die Mitarbeiter benötigten. „Dazu gehören unter anderem Fahrradabstellmöglichkeiten vor dem Werkstor, interne Fahrradabstellplätze für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem privaten Fahrrad ins Werk fahren, sowie Parkhäuser mit Ladestationen für E-Fahrzeuge, interne Fahrzeug-Nutzung via App und die Mitfahrgelegenheits-App Flinc.“