Für einen Großteil der Schutzsuchenden war im Feuerbacher Tiefbunker nur sitzend Platz. Foto:  

Rolf Zielfleisch vom Verein Schutzbauten führt am 27. August durch den Tiefbunker in Stuttgart-Feuerbach.

Feuerbach - Kriegsdrohungen werden dieser Tage erschreckend leicht ausgesprochen. Heilsam ist da, sich mal wieder vor Augen zu führen, was Krieg eigentlich bedeutet: Am 27. August führt Rolf Zielfleisch, Vorsitzender des Vereins Stuttgarter Schutzbauten, durch den Feuerbacher Tiefbunker. Erleichtertes Aufatmen bei der Rückkehr ans Tageslicht inklusive.

Heute ist der Besuch ein Abenteuer, für denjenigen, der damals die Treppe am Bahnhofsvorplatz hinunterstieg, ging es freilich ums Überleben. Und die Kapazität des Tiefbunkers war im Zweiten Weltkrieg auf 2500 und während des Kalten Kriegs auf 1172 Schutzsuchende begrenzt. Ordner zählten an der so genannten Dosierschleuse mit und hatten schwere Entscheidungen zu treffen: Wer musste draußen bleiben und kam eventuell nirgendwo sonst mehr unter? Denn der nahe gelegene Spitzbunker war Bahneigentum und stand nicht der Allgemeinheit offen. Rolf Zielfleisch berichtet, dass die Ordner anonym bleiben mussten, um später nicht Ziel von Vergeltung zu werden.

Geschlafen wurde in Schichten auf 400 Pritschen

Wer es hinein schaffte, auf den wartete drangvolle Enge. Für einen Großteil der Schutzsuchenden war auf den 1890 Quadratmetern nur sitzend Platz. Geschlafen wurde in Schichten auf 400 Pritschen. Auf wenige Tage war so ein Aufenthalt ausgelegt, Privatsphäre war da nicht vorgesehen: Die wenigen Toiletten und Duschen waren nur durch Vorhänge abgetrennt, dazu kam eine Stelle zur Ausgabe von dringend benötigten Toilettenartikeln, aber keine medizinische Versorgung. Für den äußersten Notfall lagen Leichensäcke bereit. Willkommen im Krieg.

Von 1971 bis 1974 wurde der Schutzbau noch einmal auf den neuesten Stand gebracht; das Ende des kalten Krieges leitete auch das Ende der Schutzbauten ein. Auch die Bunker, die Robert Zielfleisch und seine Mitstreiter betreuen, hätten längst geräumt werden sollen. Der Verein setzt sich dafür ein, dass sie unter Denkmalschutz gestellt werden und als Mahnmal und Gedenkort für den Kalten Krieg und die deutsch-deutsche Teilung dienen. Zweimal drehte hier auch schon das Team von „Soko Stuttgart“.

Bunker haben an Schutzwirkung verloren

Mal nachgefragt: Die Bunker wurden aufgegeben, die Sirenen an den öffentlichen Gebäuden abmontiert. Aber vor einigen Monaten forderte die Regierung die Bürger auf, für den Notfall Lebensmittelvorräte für zehn Tage anzulegen. Abgesehen davon, dass das bei vielen der Wohnraum nicht zulässt, drängt sich der Verdacht auf, dass die Krisenversorgung privatisiert werden soll. Rolf Zielfleisch erklärt, dass Angriffe im Kriegsfall heute nicht mehr vorhersehbar seien und die Bunker an Schutzwirkung verloren hätten: „Aber, ja, so ein richtiges Konzept für den Notfall scheint es nicht mehr zu geben.“

Auch wenn der Tiefbunker nie für einen längeren Aufenthalt konzipiert wurde, gab es übrigens Langzeitbewohner: So wohnten hier noch bis 1957 Heimatvertriebene. Von deren Lebensbedingungen erzählt die Ausstellung ebenfalls. Danach habe Bosch dort italienische Gastarbeiter untergebracht. Bis 1960 währte das „Provisorium“, erzählt Zielfleisch. Dann beschwerten sich die Betroffenen beim italienischen Konsul, der der menschenunwürdigen Situation ein Ende bereitete.

Egal, wie kurz oder lang der Aufenthalt unter Tage ist: Wer danach wieder ans Feuerbacher Tageslicht zurückkehrt, atmet meist erst mal erleichtert auf, hat Zielfleisch beobachtet. Und das ist in Zeiten der Kriegsrhetorik vielleicht wertvoller als alles andere.

Info Am Sonntag, 27. August, gibt es Führungen durch den Tiefbunker (neben der Haltestelle Feuerbacher Bahnhof) und den Spitzbunker (14.30 und 16 Uhr) sowie durch den Stollen unter dem Wiener Platz (16 Uhr). Die Führungen kosten sieben Euro je Tour, ermäßigt 3,50 Euro.

www.schutzbauten-stuttgart.de