Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wagt rigorose Veränderungen bei der aktiven Arbeitsförderung – und eckt sogleich an. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bundesarbeitsminister Heil zieht mit einem Systemwechsel bei der Arbeitsförderung heftige Kritik auf sich. Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut appelliert schriftlich an Heil, die Arbeit der Jobcenter nicht zu beschädigen.

Mit der Entscheidung, Arbeitslose unter 25 Jahren von Januar 2025 an nur noch von den Arbeitsagenturen statt teils auch von den Jobcentern betreuen zu lassen, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) viele Mitspieler auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik gegen sich aufgebracht. Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter sowie Teile der Länder, Kommunen und Sozialpartner äußern Unverständnis.

 

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) fordert Heil in einem unserer Zeitung vorliegenden Brief zur Umkehr auf. „Wir waren sehr irritiert, dass Ihr Haus die Länder lediglich unterrichtet und nicht zuvor mit allen Beteiligten fachlich diskutiert hat.“ Dieses Vorgehen bei einer so tief greifenden strukturellen Änderung entspreche nicht „den Gepflogenheiten unserer guten Zusammenarbeit“.

Bewährte Strukturen werden „ohne Not zerschlagen“

Die Jobcenter hätten über Jahre die nötigen Netzwerke und Strukturen zur Begleitung junger Erwerbsfähiger geschaffen – „dies soll jetzt ohne Not zerschlagen und an anderer Stelle neu aufgebaut werden“, so die CDU-Ministerin. Vernachlässigt werde, dass junge Erwachsene, die selbst im Leistungsbezug aufgewachsen seien und deren Familien ebenfalls Leistungen bezögen, deutlich schwierigere Startbedingungen als andere Jugendliche hätten – dies erfordere die Stabilisierung der ganzen Familie. Die Betreuung aus einer Hand sei aber nicht möglich, wenn Jobcenter für die Eltern und Arbeitsagenturen für deren Kinder zuständig seien.

Die Jobcenter hätten zudem mit den kommunalen Eingliederungsleistungen zielführende Instrumente – gerade für Jugendliche mit Grundproblemen wie Suchterkrankungen, Überschuldung oder Obdachlosigkeit. „Die Jobcenter sind deutlich besser aufgestellt und mit den lokalen Akteuren vernetzt als die Agenturen“, mahnt Hoffmeister-Kraut. Ferner könnten sie Mitwirkungspflichten durch eine Verknüpfung mit den Bürgergeldzahlungen wirksam durchsetzen.

Der Systemwechsel betrifft 690 000 arbeitsuchende junge Erwachsene. Ihre Herauslösung aus dem steuerfinanzierten SGB (Sozialgesetzbuch) II in das beitragsfinanzierte SGB III bedeutet: Der Arbeitsminister spart im eigenen Etat bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende und verschiebt die Kosten zur Kasse der Bundesagentur für Arbeit. So muss die Arbeitslosenversicherung – die durch Beiträge von Arbeitgebern und Beschäftigten getragen wird – von 2025 an für etwa 900 Millionen Euro aufkommen.

Arbeitsförderung „einheitlich und aus einer Hand“

Heil will laut einer Sprecherin den jungen Menschen die aktive Arbeitsförderung „einheitlich und aus einer Hand anbieten“. Die Leistungen sollen besser aufeinander abgestimmt werden und so früh wie möglich unterstützen – wo immer dies für einen erfolgreichen Start in das Erwerbsleben nötig sei. Durch die Neuordnung fielen die sich teilweise überlagernden Zuständigkeiten von Jobcentern und Arbeitsagenturen weg, was perspektivisch zur Entlastung der Jobcenter führe.

Das Arbeitsministerium nehme den Zuständigkeitswechsel aber auch mit Blick auf die geplante Einführung der Kindergrundsicherung im Jahr 2025 vor, „nach der viele junge Menschen künftig Kindergrundsicherung statt Bürgergeld beziehen werden“. Allen Beteiligten sei bewusst, dass der Übergang weitreichende Umstellungen der heute bestehenden Strukturen bei Jobcentern, Arbeitsagenturen, Kommunen, Trägern und den Jugendberufsagenturen erfordere. Hierzu sei man „mit allen Akteuren im Austausch“.