Rechtsradikale Schmierereien in Vorra: „Kein Asylat (Asylant) in Vorra“ und Hakenkreuze. Foto: dpa

Steigende Flüchtlingszahlen, brennende Unterkünfte, Tausende Islam-Gegner auf den Straßen – es braut sich etwas zusammen in Deutschland. Die Politik sucht nach Antworten. Derweil steigt die Angst vor einer neuen Ausländerfeindlichkeit.

Nürnberg - In den sozialen Netzwerken war am Freitag die Empörung groß. Auf Twitter schreibt ein junger Mann: „In Deutschland brennen wieder Flüchtlingsheime. Hört das denn nie auf . . . ?“

Nachdem in der Nacht zum Freitag im bayerischen Vorra drei geplante Flüchtlingsunterkünfte in Flammen aufgegangen sind, fühlen sich viele an die Brandanschläge aus den 1990er Jahren erinnert: Die Orte, an denen die Heime brannten, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und auch Solingen, wo im Mai 1993 das Haus einer türkischen Familie angezündet worden war, sind plötzlich wieder präsente Schlagworte. Und das mitten in der ohnehin schon angespannten Debatte über Asylbewerber und deren Unterbringung.

Im Fall des Brandes im mittelfränkischen Vorra gehen sowohl die Kriminalpolizei als auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von Brandstiftung aus und vermuten einen rechtsradikalen Hintergrund der Tat. An einen Anbau waren ein Hakenkreuz und andere fremdenfeindliche Parolen geschmiert worden, die Ermittler entdeckten Brandbeschleuniger. Der Staatsschutz ermittelt. Bei dem Anschlag war ein Feuerwehrmann beim Löschen leicht verletzt worden. Der Komplex aus drei Gebäuden – eine ehemalige Gaststätte, eine Scheune und ein Wohnhaus – wurde noch saniert und war daher unbewohnt.  Die Bezirksregierung von Mittelfranken hatte das Anwesen, das lange leer stand, übernommen, um dort etwa 80 Flüchtlinge unterzubringen. Die Asylbewerber sollten in der kommenden Woche dort einziehen. Der Schaden soll etwa 700 000 Euro betragen, die Häuser sind durch die Flammen unbewohnbar geworden.

Nicht nur die Bürger sind entsetzt, auch die Politiker reagierten dementsprechend. Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall und Integrationsministerin Bilkay Öney (beide SPD) zeigten sich am Freitag bestürzt. „Ich bin mir sicher, dass hier im Land alles getan wird, um Anschläge von ewiggestrigen Brandstiftern zu verhindern“, sagte Gall. Öney betonte, sie beobachte nach wie vor eine positive Stimmung in der Bevölkerung. „Ich hoffe, dass das so bleibt“, sagte sie. Jedoch wurden auch im Südwesten in diesem Jahr rechtsmotivierte Delikte gegen Flüchtlingsunterkünfte erfasst: Das Innenministerium zählte bis Ende November 14 Taten. In den meisten Fällen seien Hakenkreuze an die Wände der Gebäude geschmiert, in zwei Fällen volksverhetzende Parolen skandiert worden, teilte das Ministerium mit.

Das Bundeskriminalamt hat in den ersten drei Quartalen dieses Jahres bereits 86 rechtsextrem motivierte Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gezählt – und damit mehr als 2012 und 2013 zusammen. Darunter fallen Delikte wie Farbschmierereien, Beschmutzungen und Sachbeschädigungen, aber auch Brandstiftungen.

„Es ist unerträglich, wenn Asylbewerberheime geschändet werden, wenn Menschen versuchen, radikale Sprüche zu machen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg. Bundespräsident Joachim Gauck sagte beim Besuch eines Flüchtlingshilfevereins in Magdeburg: „Wir können nur mit aller Entschlossenheit der anständigen Menschen reagieren.“ Positive Beispiele im Umgang mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen sollten aus Sicht von Bundespräsident Joachim Gauck stärkere Aufmerksamkeit bekommen als fremdenfeindliche Bewegungen wie Pegida. Solche „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“, sollten nicht so viel Beachtung finden, sagte Gauck

Die Innenminister von Bund und Ländern warnten zum Abschluss ihrer Herbsttagung in Köln vor zunehmender islam- und ausländerfeindlicher Hetze. „Wir spüren schon, dass das gesellschaftliche Klima in Deutschland rauer wird“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) angesichts des Zulaufs für die Anti-Islam-Bewegung Pegida. Viele Menschen seien in Sorge, und Pegida missbrauche das. Fakt sei: „Es droht keine Islamisierung der ganzen deutschen Gesellschaft.“

An der wöchentlichen Demonstration des Bündnisses „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden hatten sich am Montag rund 10 000 Menschen beteiligt, so viele wie noch nie. Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchen, steigt seit Jahren. Für 2014 werden insgesamt rund 200 000 Asylanträge erwartet. In Baden-Württemberg kommen derzeit im Schnitt täglich 200 neue Flüchtlinge an, wie ein Sprecher des Integrationsministeriums am Freitag sagte.