Das Löschen von Bränden ist mitunter gefährlich. Mithilfe von Luftaufnahmen verschafft sich die Feuerwehr einen besseren Überblick. Dadurch kann das Risiko für die Einsatzkräfte minimiert werden.
Niklas Heber und Moritz Weber von der Freiwilligen Feuerwehr Stuttgart, Abteilung Sommerrain, stehen bei großen Löscheinsätzen nicht immer in der ersten Reihe. Die 24-Jährigen sind jedoch mitnichten Drückeberger. Wenn die beiden Kameraden ihr Equipment in sicherer Entfernung zum Brandherd auspacken, hat das einen guten Grund: Sie sind dann als sogenannte Fernpiloten für Stuttgarts Feuerwehr-Drohneneinheit ausgerückt.
Mit zwei kleinen Joysticks steuert einer der beiden das knapp 900 Gramm schwere Fluggerät, der andere beobachtet den Luftraum. „Sind Rettungshubschrauber oder Sportflugzeuge in der Nähe, wird die Höhe entsprechend reduziert“, sagt Niklas Heber. Selbst ein Flug zum Korb des Stuttgarter Fernsehturms wäre denkbar, sollte es dort einmal brennen. „Glücklicherweise war das noch nicht notwendig. Das Maximum war 120 Meter, mehr haben wir bislang nicht gebraucht. Um gute Bilder zu erzeugen, fliegen wir in der Regel aber deutlich tiefer.“ Ob die Drohneneinheit zum Einsatz kommt, entscheidet die Branddirektion. „Bislang wurden wir in Stuttgart sechsmal angefordert“, sagt Moritz Weber. Unter anderem bei einem Dachstuhlbrand im vorigen Oktober in Untertürkheim. „Bereits in mehreren Einsatzlagen haben uns die Drohnen sehr gut unterstützt“, sagt Daniel Anand, Sprecher der Feuerwehr Stuttgart.
Zuletzt beim Explosionsunglück in der Köllestraße: „Hier halfen die Drohnen, gezielte Löscharbeiten durchzuführen und sichere Arbeitsbereiche für die Suchhunde festzulegen.“ Zu Beginn des Einsatzes seien die Trümmerteile zu heiß für die Tiere gewesen und hätten mit Wasser heruntergekühlt werden müssen.
Drohnen auch nach Explosion in der Köllestraße im Einsatz
Ihre Premiere hatte die Drohneneinheit aber außerhalb Stuttgarts. „Vor rund einem Jahr, als in einer Deponie in Filderstadt ein 100 Quadratmeter großer Grünschnittberg Feuer gefangen hatte, wurden wir von den Kameraden aus dem Landkreis Esslingen um Hilfe gebeten. Der Einsatz kam etwas unverhofft, da war die Drohne noch gar nicht offiziell im Dienst.“ Die Nachfrage werde weiter steigen, davon ist Niklas Heber überzeugt. Zu groß sei der Mehrwert der hochauflösenden Luftaufnahmen, die die Einsatzleitung vor Ort auf einem großen Bildschirm begutachten kann. „Sie liefern wichtige Hinweise, um die nächsten Schritte zu planen und Löschmaßnahmen gezielt durchzuführen. Mithilfe der verbauten Wärmebildkamera lassen sich Glutnester entdecken.“
Die Drohneneinheit kommt aber nicht nur bei Großbränden zum Einsatz. „Wir können große Flächen und schwierig zu erreichende Gebiete schnell überblicken und sie zum Beispiel nach Vermissten absuchen.“ Auch bei Großveranstaltungen könnte die Drohne eingesetzt werden. Dann allerdings mit Zusatzgepäck. „Immer, wenn wir über Menschen oder wertvollen Sachgütern in der Luft sind, haben wir einen Fallschirm an Bord.“ Bislang habe man ihn aber noch nicht gebraucht. „Wir sind unfallfrei unterwegs“, sagt Moritz Weber, betont aber, dass man sich vor Böen in Acht nehmen müssen. „Dann kann es schon mal schwierig werden, die Drohne stabil auf Kurs zu halten.“
Elf Fernpiloten, die alle ein EU-Fernpilotenzeugnis besitzen und regelmäßig auch normal im Dienst eingeteilt werden, sind bei der Freiwilligen Feuerwehr Sommerrain im Wechsel im Einsatz. „Unser Topmann konnte im vorigen Jahr 650 Flugminuten vorweisen“, sagt Niklas Heber. „Elf Stunden, das hört sich wenig an, ist aber viel, wenn man bedenkt, dass man sich regelmäßig abwechselt. Ein Flug, der akkubedingt rund 20 Minuten dauert, erfordert viel Konzentration. Es gibt Assistenzsysteme, die uns helfen, aber grundsätzlich fliegen wir alles von Hand.“ Damit die Einsatzkräfte nicht aus der Übung kommen, muss regelmäßig trainiert werden. „Frischlinge mindestens 30 Minuten im Monat, bei erfahrenen Fernpiloten reichen 15.“
Viele Auflagen zu erfüllen
Wichtig sei gewesen, dass man nicht nur eine Drohne anschafft oder sich private Geräte schnappt, die in der Garage liegen, und dann mal loslegt, betont Hans-Peter Abt, Kommandant der 1935 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr Sommerrain. „Es gibt viele Themen zu beachten.“ Dementsprechend mussten Auflagen, sowohl vonseiten der EU als auch von der Stadt, erfüllt werden, „schließlich haben wir auch mehr Flugrechte als eine Privatperson“, sagt der 54-Jährige. „Unser Konzept ist ausgeklügelt.“ Dazu zähle auch ein gutes Akkumanagement. „Es darf nicht passieren, dass uns im Einsatz der Saft ausgeht.“ Von unschätzbarem Wert sei dabei das Know-how von Niklas Heber und Moritz Weber gewesen. Der Elektroniker und der Mechatronik-Ingenieur haben bereits im Jahr 2016 eine Firma gegründet und sich auf das Filmen und Fotografieren von Immobilien mithilfe von Drohnen spezialisiert. „Ebenso ein Glücksfall ist die Unterstützung von Manuel Haas von der Branddirektion, der seine Doktorarbeit über Drohnen schreibt. Er ist von der ersten Stunde beim Projekt dabei“, sagt Abt.
Drohnen sind nicht wasserdicht
Der Diplom-Ökonom, der das Kommando über die 49-köpfige Einheit im Sommerrain – 39 Kameraden und zehn Kameradinnen – seit 22 Jahren innehat, plant schon die nächsten Schritte. „Wir sind dabei, die Ausrüstung weiter zu optimieren.“ Um erste Erfahrungen sammeln zu können, habe man bewusst zu zwei Standardmodellen gegriffen, die in der Basisausstattung rund 2500 Euro gekostet haben. „Mit ihnen stoßen wir aber an unsere Grenzen. Die Drohnen sind beispielsweise nicht wasserdicht.“ Die Nachfolger sollen deutlich robuster sein und über eine verbesserte Wärmebildtechnik verfügen, dann könne man auch bei Regen oder Schnee fliegen. „Besser geht immer, aber wir wollen es nicht übertreiben“, sagt Abt.
Die freiwillige Feuerwehr
Personal
Rund 1100 ehrenamtlich tätige Feuerwehrleute befinden sich in Stuttgart im aktiven Dienst. „Sie sind ein elementarer Bestandteil der Gefahrenabwehr“, sagt Daniel Anand, Sprecher der Feuerwehr Stuttgart. In ihren Reihen ist dabei ein ähnliches, aber auf ehrenamtliche Tätigkeit zugeschnittenes Qualifikationsspektrum wie bei der Berufsfeuerwehr zu finden.
Einsätze
Die Kräfte der freiwilligen Feuerwehr werden jedes Jahr insgesamt mehr als tausend Mal zu Einsätzen alarmiert. Sie sind entweder im Verbund mit der Berufsfeuerwehr oder allein tätig. Die Gerätehäuser sind in Stuttgart so angeordnet, dass vor allem die Randbezirke des Stadtgebiets und isolierte Stadtteile wie Weilimdorf oder Birkach primär durch die freiwilligen Kräfte geschützt werden. Die Nähe zu den möglichen Einsatzorten ermöglicht kurze Hilfsfristen, teilweise kürzer als die Zeit, die die Berufsfeuerwehr bis zum Eintreffen an der Unglücksstelle benötigt.
Verteilung
Die Freiwillige Feuerwehr Stuttgart, die 1852 knapp vier Jahrzehnte vor der Berufsfeuerwehr Stuttgart gegründet wurde, besteht aus 23 stadtteilbezogenen Abteilungen mit 25 bis 60 Angehörigen sowie zwei weiteren ortsungebundenen Spezialabteilungen für Kommunikations- und Logistikaufgaben. Hinzu kommen die Abteilungen der Kinder- und Jugendfeuerwehr, der man bereits im Alter von zehn Jahren beitreten kann.