Eine Frau hat sich in der U 7 bei einer Bremsung verletzt. Schadenersatz bekommt sie aber nicht. Foto: Michael Steinert

Eine Stadtbahn muss bremsen, eine Frau verletzt sich dabei schwer. Sie will Schadenersatz. Ein Stuttgarter Gericht muss entscheiden.

Stuttgart - Es kann jedem passieren. Ein Stadtbahnfahrer muss verkehrsbedingt stark bremsen, man stürzt und verletzt sich. Wie sieht es mit der Schuldfrage aus? Hat der Fahrer richtig gehandelt? Trifft das Opfer eine Mitschuld? Muss die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) Schadenersatz bezahlen? Einen solchen Fall verhandelt der 4. Zivilsenat des Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in zweiter Instanz.

Um es vorwegzunehmen: Der 4. Senat ist seinen Kollegen des Landgerichts gefolgt und hat die Berufungsklage der fünffachen Mutter zurückgewiesen.

Der Sturz war vor fünf Jahren

Der Fall hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Was war passiert? Am 27. Februar 2016 sitzt eine Frau mit ihren Kindern, eines davon im Kinderwagen, in einem Wagen der U 7 und fährt Richtung Ostfildern. Die Stadtbahn bremst scharf, die Frau stürzt aus ihrem Einzelsitz und verletzt sich schwer an der rechten Schulter. Sie meldet sich beim Fahrer, der die Rettungskräfte informiert. An der Haltestelle Bopser fährt der Krankenwagen an, die Frau wird mitgenommen. In der Folge muss sie mehrmals operiert werden.

Noch heute, fast fünf Jahre nach dem Sturz, habe sie starke Schmerzen und könne ihren rechten Arm nicht mehr richtig anheben, sagt sie vor Gericht. Sie will 10 000 Euro Schadenersatz von den SSB. Das Landgericht Stuttgart hatte dies in erster Instanz abgelehnt.

Tatsächlich habe er stark bremsen müssen damals, sagt der Stadtbahnfahrer aus. Ein silberner BMW habe auf Höhe des Bethesdakrankenhauses in der Innenstadt nach links auf die Gleise gezogen. Das komme auf der Sperrfläche vor dem Bethesda häufig vor. Er habe jedoch nur einmal gebremst, nicht dreimal, wie die verletzte Frau sagt. Das bestätigen zwei Zeugen. Sie und auch die anderen Fahrgäste hatte es nicht aus den Sitzen gehoben, auch war bei dem Bremsmanöver niemand sonst gestürzt.

Der Vergleich scheitert

Die Richter des 4. Zivilsenats unter Vorsitz von Matthias Haag nehmen sich Zeit. Sie lassen die Klägerin ausführlich zu Wort kommen und befragen Stadtbahnfahrer und Zeugen eingehend.

Am Ende des Verhandlungstages willigt die Frau schließlich ein, sie will den vorgeschlagenen Vergleich annehmen: 5000 Euro. Doch der Vorschlag des Gerichts scheitert dann doch noch. Wer sich außerhalb der öffentlichen Verhandlung ziert, ist nicht ganz klar. Auf jeden Fall muss nun ein Urteil in diesem Fall her.

Der 4. Senat sagt nun in seinem Urteil, der Stadtbahnfahrer habe objektiv fehlerfrei und „verkehrsrichtig“ gehandelt. Ihn treffe kein Verschulden. Er habe auch nur einmal gebremst. „Demgegenüber konnte die verletzte Mutter nicht beweisen, dass sie für ausreichend festen Halt gesorgt hat“, so Richter Haag.

Der Senat sei überzeugt davon, dass die Klägerin bei der Bremsung mit dem Rücken zur Seitenscheibe, also mit den Beinen in Richtung ihres Kinderwagens auf dem Einzelsitz gesessen habe. „In dieser Haltung konnte sie den von der Bremsung ausgehenden Kräften nicht mit der erforderlichen Standfestigkeit entgegenwirken“, so der Vorsitzende Richter. Daher treffe sie ein sogenanntes haftungsausschließendes Mitverschulden. Statt den 5000 Euro aus dem Vergleich bekommt sie nun nichts.