Behälter, die Zeugnisse unserer Kultur Foto: BBK, dpa

Das Original der bundesdeutschen Verfassung wurde abgefilmt und im Stollen gesichert.

Oberried - Das Grundgesetz ist jetzt bombensicher. Zumindest für 500 Jahre. Die provisorische Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, die vom Parlamentarischen Rat der Westzonen beschlossen und am 23. Mai 1949 erlassen wurde, ist am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, als milliardstes Dokument im Barbarastollen im südbadischen Oberried bei Freiburg eingelagert worden.

Der frühere Erkundungsstollen am Fuße des Schauinsland-Berges ist der Ort, an dem die Bundesrepublik Deutschland seit 1975 ihre auf Mikrofilm gespeicherten historischen Dokumente aus Stadt- und Landesarchiven aufbewahrt. Die Grundlage für die sogenannte Sicherungsverfilmung ist die „Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten“ vom 14. Mai 1954. Mehr als 100 Staaten haben sich verpflichtet, bereits in Friedenszeiten Kultur- und Archivgüter vor der Zerstörung zu bewahren.

66 Meter lange Filmrolle

Die in Deutschland für die Sicherungsmaßnahmen zuständige Behörde ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beim Bundesinnenministerium (BBK). „Ich freue mich, dass nun auch dieses Herzstück der deutschen Geschichte vor Zerstörung durch Kriege oder auch Naturkatastrophen geschützt ist“, erklärte der BBK-Präsident Christoph Unger am 3. Oktober anlässlich der Einlagerung des Fasses Nummer 2165 aus rostfreiem Stahl. Es birgt auf einer 66 Meter langen Rolle nicht nur das verfilmte Originaldokument, sondern auch alle wichtigen Schriftstücke Dokument, die bei der Beratung der Nachkriegsverfassung in den Westzonen angefallen sind.

Dazu gehören Protokolle der Sitzungen, der Schriftverkehr und auch die Stellungnahmen der Alliierten. Insgesamt 2,6 Meter verfilmte Akten sind auf 30 000 Einzelbildern verewigt. Ausgewählt und zur Verfilmung vorbereitet wurden die Dokumente vom Archiv des Deutschen Bundestages.

500 Jahre werden die Dokumente mindestens halten

Würden die Originale vernichtet, könnten die Filme im Barbarastollen auch nach 500 Jahren noch mit einer einfachen Lupe gelesen werden können, heißt es in einem Gutachten. Dass die Einlagerung an einem sicheren Ort auch in Friedenszeiten hilfreich sein kann, hat sich nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln vor sieben Jahren gezeigt. Ausnahmsweise sind im Barbarastollen die dicht verschlossenen Fässer aufgemacht worden, in denen mehr als eine Million Dokumente aus Köln gelagert waren. Zerstörte Dokumente konnten so wieder rekonstruiert werden.

Nun also ist auch das ursprüngliche Grundgesetz – mittlerweile wurde es mehr als sechzig Mal verändert und mit dem Beitritt der DDR zur BRD die Verfassung des wiedervereinigten Deutschland – sicher aufbewahrt. 400 Meter tief ruht es im Berg, bei konstanten 10 Grad Celsius und 35 Prozent Luftfeuchtigkeit, und ist durch schwere Stahltüren und Alarmanlagen gesichert. „Das ist der sicherste Ort Deutschlands“, sagt der BBK-Projektleiter Lothar Porwich überzeugt. „Es lagern hier keine Schätze, die man auf dem Markt, auch nicht auf dem schwarzen, verkaufen könnte“.

Zu zwei Dritteln ist der Stollen bereits mit Fässern gefüllt, bis in 20 Jahren werde man erweitern müssen, sagt Porwich. Der Betrieb der bewachten Anlage ist mit 30 000 Euro vergleichsweise preiswert, die Verfilmung der Dokumente in 14 Stellen bei den Landesarchivanstalten ist durch die Personalausgaben wesentlich teurer. Alles in allem kostet die Sicherungsverfilmung und Einlagerung den Bundeshaushalt 3,5 Millionen Euro. Deutschland, die Schweiz und Österreich sind nach Aussage des BBK-Präsidenten die einzigen europäischen Länder, die ihre Sicherungsverpflichtung aus der Haager Konvention in diesem Ausmaß erfüllen.

Und die DDR? Die gehört dazu

„Interessant ist, dass auch die DDR ihre Sicherungsverpflichtung in der gleichen Weise erfüllt hat wie die Bundesrepublik“, berichtet Martin Luchterhand vom Berliner Landesarchiv, das federführend bei der Verfilmung ist. Die DDR hat Dokumente deutschen Kulturgutes aller Jahrhunderte auf ihrem Territorium ebenfalls auf Mikrofilm gebannt und oberirdisch auf Schloss Ferch im Havelland aufbewahrt. Nach der Vereinigung sind die Filme kopiert und in den Bestand des BBK aufgenommen worden. Die 8000 Kilometer Mikrofilm in 327 Stahlfässern lagern nun auch im Südschwarzwald. Insgesamt liegen 32 000 Kilometer Film in 1500 Fässern im Oberrieder Stollen.

Ob auch die DDR-Verfassung dabei ist, die nach dem Grundgesetz am 7. Oktober 1949 in der sowjetischen Zone von der provisorischen Volkskammer beschlossen wurde, war kurzfristig nicht in Erfahrung zu bringen, aber vermutlich ruht sie schon in einem der Fässer. Aufbewahrt würden die Dokumente auf jeden Fall getrennt – auch am Tag der deutschen Einheit, die der Spaltung der beiden Staaten ein Ende bereitete.

Ein Vertreter der Verfassungsorgane war übrigens bei der Einlagerung des Grundgesetzes nicht dabei. „Mein Minister ist bei der Einheitsfeier in Dresden“, sagt sagte der BBK-Chef Christoph Unger – offenbar nicht ohne Bedauern. Sonstige Volksvertreter allem Anschein nach auch.