Die Feinstaubfresser von Mann und Hummel saugen die Außenluft an und reinigen diese von Schadstoffen. Foto: factum/Weise

Kommt das Fahrverbot? Kai Knickmann, Spezialist für Kraftfahrzeugtechnik beim Filter-Hersteller Mann und Hummel, macht allen Diesel-Besitzern Hoffnung. Der Verbrennungsmotor sei noch lange nicht tot, sagt er. Aus einen ganz bestimmten Grund.

Ludwigsburg - Mann und Hummel mit Sitz in Ludwigsburg ist einer der größten Filter-Hersteller weltweit und einer der wichtigsten Automobilzulieferer in der Region. Im Interview macht Kai Knickmann, der Spezialist für Kraftfahrzeugtechnik bei dem Unternehmen, allen Diesel-Besitzern Hoffnung. Der Verbrennungsmotor sei noch lange nicht tot, sagt der 54-Jährige. Mithilfe neuer Technologien seien die meisten Probleme lösbar. Auch die Luft werde wieder sauberer.

Herr Knickmann, lassen sich mit Technologie Probleme lösen, die - wie im Fall der Luftverschmutzung – ja erst durch Technik entstanden sind?
Ich bin der festen Überzeugung, dass Technologie Lösungen zur Verfügung stellen muss. Unsere Stärke ist es, mit Filtern das Nützliche vom Schädlichen zu trennen – und hier gehen uns die Aufgaben nicht aus. Saubere Luft ist eine der Voraussetzungen für alles Leben auf der Welt und Luftreinhaltung eines der drängendsten Probleme unserer Tage. Unsere Hauptfrage muss daher sein: Wie können wir dabei helfen, es zu lösen.
Also wie?
Der Autoverkehr hat einen deutlichen Anteil an der Verschmutzung, also wollen wir dafür sorgen, dass sich das ändert. Aus dem Grund haben wir Feinstaubfresser-Fahrzeuge entwickelt, die gerade in einem Feldversuch getestet werden: mit Partikelfiltern, die wie große Staubsauger funktionieren und die Luft, die durch sie hindurchströmt, von Schadstoffen befreien.
Wäre es nicht sinnvoller, wenn Fahrzeuge erst einmal weniger Feinstaub produzieren?
Das ist der zweite Ansatz. Moderne Fahrzeuge sind am Auspuff stark reglementiert, stoßen viel weniger Schadstoffe aus. Aber ein großer Teil des Feinstaubs kommt nicht durch den Auspuff, sondern entsteht als Reifenabrieb, Straßenabrieb, Bremsstaub. Deswegen sind wir das separat angegangen und haben im Jahr 2017 unseren Bremsstaubpartikelfilter vorgestellt, der Feinstaub direkt an der Bremse auffängt, bevor er in die Umgebung gelangt. Auch damit sammeln wir jetzt Erfahrungen.
Partikelfilter, Mooswände, Staubsauer – getestet wird einiges. Wann wird es konkret?
Ich gehe davon aus, dass wir schon im nächsten Jahr die ersten Serienanwendungen sehen werden. Wir kooperieren mit Streetscooter, dem größten Hersteller von Elektronutzfahrzeugen in Deutschland. Wir wollen in diese Fahrzeuge unsere Feinstaubpartikelfilter integrieren, der Testbetrieb läuft schon – das Ziel ist, damit schnell in Serie zu gehen.
Sollen Technologien eine Wirkung entfalten, müssen sie viel weiter verbreitet werden.
Genau das. Im Grunde geht es ums emissionsneutrale Fahren. Selbst elektrische Fahrzeuge sind ja nicht neutral, der Strom muss produziert werden und die Bremsen verursachen – wie beim Auto mit Verbrennungsmotor – Feinstaub. Unsere Idee ist es, Filter zu generieren, die Fahrzeuge in der Bilanz neutralisieren.
Und eines Tages soll dann jedes neue Auto über Ihre Filter verfügen?
Die Bremsstaubpartikelfilter werden auf breiter Front kommen, da bin ich sicher. Was die Feinstaubpartikelfilter angeht: Die leben von einem hohen Feinstaubaufkommen. Meine Hoffnung ist, dass wir so etwas irgendwann gar nicht mehr in jedem Fahrzeug benötigen. Aber für Taxis, den Logistikverkehr in der Stadt, also für alle Autos, die ständig im innerstädtischen Einsatz sind, kann das sehr interessant werden.
In der Öffentlichkeit wird viel über Elektromobilität, aber wenig über andere Technologien geredet. Ärgert Sie das?
Wir registrieren durchaus ein zunehmendes Interesse, auch vonseiten der Politik. Wir sind auch nicht die einzigen, die sich mit dieser Thematik beschäftigen. Ein großer Bremsenhersteller hat unlängst ein Bremssystem vorgestellt, das auf einer anderen technischen Idee basiert, aber ebenfalls den Feinstaubausstoß drastisch minimieren soll. Es braucht eine Weile, bis man sich mit neuen Themen Gehör verschafft.
Was soll Ihr Feinstaubpartikelfilter kosten?
Wir sind noch in der Entwicklungsphase, aber das Ziel ist: weniger als tausend Euro.
Was kann man gegen die ebenfalls gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxide tun?
Für Stickstoffdioxidfilter braucht man große Mengen Aktivkohle, daher sehe ich für die Außenluft keine Lösung, die nicht extrem groß und teuer wäre. Aber mit Katalysatoren am Fahrzeug lassen sich gute Erfolge erzielen, sodass der Schadstoffausstoß an der Quelle deutlich zurückgeht. Auch dieses Problem ist also technisch lösbar.
Mann und Hummel hat der Stadt Ludwigsburg kürzlich eine Mooswand gestiftet, die Feinstaub binden soll. Kann so etwas wirklich ein relevanter Faktor werden?
Wir sind keine Gärtner und sehen uns nicht als Hersteller von Mooswänden. Aber wir lernen gerne dazu. Viele technische Neuerungen hat der Mensch von der Natur abgeschaut. Für uns geht es also darum, von den Moosen etwas darüber zu lernen, wie Filter noch besser Schadstoffe binden können.
In Asien werden Innenraumfilter immer wichtiger. Kann das ein lukratives Geschäftsfeld für Ihr Unternehmen werden?
Wir sehen darin ein Wachstumsfeld. Jeder wünscht sich saubere Luft. Wo das aber nicht gegeben ist, möchte jeder wenigstens sich selbst und seine Familie so gut wie möglich vor Schadstoffen schützen. Zu Hause, im Auto, im Büro, im Einkaufszentrum. Diesen Trend haben wir vor langer Zeit erkannt, und wir glauben, dass es dafür auch in Europa einen Markt gibt.
Nimmt man Sie in Asien ernst, wenn Sie über dreckige Luft in Deutschland sprechen?
Nein. Das Problem dort hat eine ganz andere Qualität, in manchen asiatischen Städten kann man keine hundert Meter weit schauen, weil die Luft so dreckig ist. Wäre das bei uns so, würden die Menschen auf der Straße protestieren – mit Atemschutzmaske. Die Situation in Asien ist also nicht gut. Das ändert aber nichts daran, dass das, was wir hier haben, auch nicht gut ist.
Die Deutsche Umwelthilfe hat Städte verklagt, weil die Schadstoffbelastung der Luft zu hoch ist – und fordert Diesel-Fahrverbote. An diesem Donnerstag wird das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, ob solche Verbote zulässig sind. Geht es vielleicht gar nicht mehr ohne einen radikalen Schnitt?
Ich sehe es nicht so. Viele Probleme sind technisch bereits gelöst. Beim Thema Feinstaub hat sich enorm viel getan, die Emissionen sind stark zurückgegangen. Bei den Stickstoffdioxiden besteht Handlungsbedarf, aber auch da werden große Fortschritte erzielt. Die Autoindustrie hat verstanden, dass etwas getan werden muss. Sie hat es vielleicht nicht sehr früh und schnell verstanden, aber sie hat es jetzt verstanden. Dass alle auf den Diesel schimpfen, wird der eigentlichen Aufgabe nicht gerecht.
Die da wäre?
Wir müssen uns nicht fragen, was man hätte machen sollen. Wir müssen fragen, was jetzt gemacht werden muss.
Dass Sie die Autoindustrie in ein positives Licht rücken, ist nachvollziehbar – dort sitzen Ihre wichtigsten Kunden. Können Sie trotzdem verstehen, dass nach all den Skandalen und Betrügereien viele Menschen das Vertrauen in die Branche verloren haben?
Es ist Vertrauen verloren gegangen, und das ist sehr schädlich. Aber es hat ein Umdenkprozess stattgefunden, es ist viel in Bewegung.
Wie werden wir uns 2050 fortbewegen?
Das ist sehr weit in der Zukunft. Ich sage es mal so: Ich glaube nicht, dass der Verbrennungsmotor, ob Benziner oder Diesel, kurz vor dem Aus steht.
Wieso nicht?
Wir werden in eine Phase eintreten, in der für viele Jahre unterschiedliche Antriebsarten nebeneinander existieren. In dicht besiedelten Innenstädten wird ein großer Markt für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge entstehen. Aber nicht jeder wohnt in Stuttgart, es gibt auch die Schwäbische Alb, und für das Land braucht es wegen der geringen Reichweite von E-Autos andere Lösungen. Da wird der Verbrennungsmotor weiterhin eine Rolle spielen. Dazwischen wird es Mischformen geben, Hybride. Es wird nicht mehr die eine dominierende Technologie geben, die alle Bedürfnisse aller Menschen abdeckt. Das muss auch die Politik begreifen.

Karriere
– Kai Knickmann ist seit 1999 in Leitungspositionen im In- und Ausland für Mann und Hummel tätig, seit März 2016 als Geschäftsführer Erstausrüstung Automobil und Industriefiltration. Er ist auf Kraftfahrzeugtechnik und Verbrennungsmotoren spezialisiert.

Forschung
– Der Diplom-Ingenieur ist Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure und in der Society of Automotive Engineers. Seit 2017 ist er Vize-Vorsitzender der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen.