Eine Faust ist auf dem T-Shirt eines Mannes zu sehen, der zu einer Gruppe gehört, die nach Ausschreitungen bei einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart von Polizeikräften eingekesselt sind. Foto: dpa/Jason Tschepljakow

Rund 200 Personen haben am Samstag am Römerkastell Teilnehmer einer Eritrea-Veranstaltung und Polizisten unter anderem mit Metallstangen, Flaschen und Steinen angegriffen. Oft liest man da jetzt von „Eritrea-Festival“ – dabei ist das nicht ganz korrekt.

Am Rande einer Veranstaltung von Eritrea-Vereinen kommt es am Samstag in Stuttgart zu heftigen Ausschreitungen. Teilnehmer und vor allem Polizisten werden am Veranstaltungsort, dem Römerkastell, von rund 200 Demonstranten mit Steinen, Flaschen und Holzplatten angegriffen.

Die Bilanz am Montagmorgen: 27 verletzte Beamte, 228 kurzzeitige Festnahmen und eine Person in Untersuchungshaft. Politiker auf Bundes und Landesebene verurteilen die Gewalt und forderten Konsequenzen.

Eritrea-Treffen in Stuttgart

Im Zusammenhang mit den aktuellen Vorfällen in der Landeshauptstadt wird oft der Begriff „Eritrea-Festival“ genannt. In Stuttgart handelte es sich allerdings nicht um ein Festival im klassischen Sinn. Die Polizei spricht von einem politischen Seminar, bei dem rund 80 bis 90 Menschen teilnahmen. Das Treffen am Samstag fand in einer Halle im Römerkastell in Stuttgart-Bad Cannstatt statt. Nach Angaben der Stadt Stuttgart ist die Halle an Vereine aus Eritrea vermietet. Veranstalter war demnach der Verband der eritreeischen Vereine in Stuttgart und Umgebung, der dem Zentralrat der Eritreer in Deutschland nahesteht. Die Vereine sollen laut Polizei dem diktatorischen Regime in Afrika nahestehen.

Mehrere hundert Gegner der dortigen Regierung waren am Samstag ebenfalls am Römerkastell. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen und die Polizei geriet zwischen die Fronten. Stuttgarts Polizeivizepräsident Carsten Höfler sprach von einem „Gewaltexzess“ und berichtete, dass es häufiger derartige Veranstaltungen in Stuttgart gebe. Im vergangenen Jahr seien es fünf gewesen, diese seien im Wesentlichen störungsfrei verlaufen.

Den Ursprung hat der Konflikt in Eritrea. Bei der Versammlung im Römerkastell trafen sich rund 80 Eritreer, die, so heißt es, dem Regime in Afrika treu ergeben sind. Die Gewalt am Samstag ging ausnahmslos von eritreischen Regimekritikern aus, die plötzlich in mehreren Gruppen in Bad Cannstatt auftauchten – und mit den regimetreuen Eritreern verfeindet sind.

„Eritrea-Festival“

Sogenannte "Eritrea-Festivals" sind Veranstaltungen, die es in verschiedenen deutschen Städten aber auch in anderen Ländern gibt. Sie werden vom Zentralrat der Eritreer in Deutschland organisiert oder von örtlichen Vereinen. Der Verein Zentralrat der Eritreer in Deutschland gilt wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem ostafrikanischen Land als umstritten.

Seit Jahren findet zum Beispiel in Gießen das Eritrea Festival statt, davor war Frankfurt am Main der Veranstaltungsort. Offiziell soll es laut dem Verein Zentralrat der Eritreer ein Familienfest sein, bei dem es kulturelle Events mit Musik und Lesungen gibt. Im Juli 2023 gab es in diesem Zusammenhang allerdings auch massive Ausschreitungen. Wie in Stuttgart gingen Gegner der Veranstaltung in der hessischen Stadt gegen Sicherheitskräfte vor und attackierten diese etwa mit Stein- und Flaschenwürfen. Auch wurden Rauchbomben gezündet. In Schwedens Hauptstadt Stockholm ist im August ebenfalls der Protest gegen ein solches Festival eskaliert: Bei Ausschreitungen wurden mehr als 50 Menschen verletzt. 

Der Bundeszentrale für politische Bildung nach versucht die eritreische Regierung, mit einer Auslandsjugendabteilung junge Eritreer im Ausland zu beeinflussen und unter anderem bei Festivals Spenden zu sammeln. In Deutschland leben laut Auswärtigem Amt etwa 70 000 eritreische Staatsangehörige.

Umstrittene Eritrea-Festivals

Eritrea-Festivals sowie ähnliche Veranstaltungen sind umstritten. Kritiker werfen den Veranstaltern vor, das diktatorische Regime in dem ostafrikanischen Land zu unterstützen. Sie halten solche Kulturveranstaltungen aus diesem Grund für eine Propagandaveranstaltung der Regierung.

Das Eritrea-Festival in Gießen etwa steht auch bei den Eritreern in Deutschland in der Kritik. Viele von ihnen sind nämlich vor der Diktatur in dem Land geflohen. Sie stellen die Veranstaltung seit Jahren in Frage und organisierten auch schon Petitionen dagegen.

Eritrea ist weitgehend abgeschottet

Eritrea hat rund drei Millionen Einwohnern, liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land.

Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.

In Stuttgart sind die Ermittlungen zu den Ausschreitungen am Römerkastell noch nicht beendet. Trotzdem plant der Verband der eritreischen Vereine in Stuttgart eine weitere Veranstaltung.