Die Polizei führt am späten Samstagabend einen Tatverdächtigen ab. Foto: Andreas Rosar

Stundenlang mussten rund 80 Eritreer am Samstag im Römerkastell ausharren, während draußen ihre politischen Gegner die Halle stürmen wollten. Jetzt wird Kritik laut.

War es im Vorfeld absehbar, dass bei der Eritrea-Veranstaltung am Samstag im Stuttgarter Römerkastell massive Ausschreitungen drohen? Die Stadt Stuttgart und die Stuttgarter Polizei verneinen dies, doch vonseiten der Eritreer, die in der Halle ausharren mussten, während davor der Mob tobte, werden dahingehend nun Vorwürfe laut. „Wir haben der Polizei im Vorfeld mitgeteilt, dass es diesmal gefährlich werden könnte“, sagt Johannys Russom, der nach eigenen Angaben in mehreren eritreischen Organisationen und Verbänden in Deutschland aktiv ist und am Samstag im Römerkastell war. Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate sei es nicht überraschend, dass die Lage in Stuttgart eskaliert. Doch die Polizei habe die Warnungen in den Wind geschlagen – und sei daher schlecht vorbereitet in den Einsatz gegangen.

 

Gleichzeitig lobt Russom den Mut der wenigen Polizisten, die sich zu Beginn der Ausschreitungen den Angreifern in den Weg gestellt hätten. „Wenn diese Polizisten nicht gewesen wären, könnte ich heute nicht mit Ihnen sprechen“, sagt er – und meint damit: Dann wäre auch er jetzt im Krankenhaus.

27 Polizisten wurden bei den Krawallen verletzt, teilweise schwer. Den Ursprung hat der Konflikt in Eritrea. Bei der Versammlung im Römerkastell trafen sich rund 80 Eritreer, die, so heißt es, dem Regime in Afrika treu ergeben sind. Es war nicht das erste Mal, dass die Gruppe sich in Stuttgart getroffen hat, nach Angaben der Polizei blieb es dabei immer weitgehend friedlich. Die Gewalt am Samstag ging ausnahmslos von eritreischen Regimekritikern aus, die plötzlich in mehreren Gruppen in Bad Cannstatt auftauchten – und mit den regimetreuen Eritreern verfeindet sind.

In mehreren Städten war es in den vergangenen Monaten bei ähnlichen Veranstaltungen zu Ausschreitungen gekommen, so etwa im Juli bei einem Eritrea-Festival in Gießen. Bei der Versammlung in Stuttgart habe man nun darüber sprechen wollen, was man gegen die ständigen Angriffe unternehmen könne, berichtet Russom. „Es ging auch darum, ob es möglich ist, mit einigen von denen, die uns angreifen, ins Gespräch zu kommen – mit dem Ziel, die Gewalt zu minimieren.“ Mit dem Resultat, dass es nun erneut zu schweren Ausschreitungen gekommen ist.

Fakt ist: Die Polizei war am Samstag mit lediglich 20 Beamten vor Ort, um die Veranstaltung im Römerkastell zu sichern – während die Zahl der Angreifer schnell auf mehr als 200 stieg. Heißt: Die Polizei war zumindest anfangs zahlenmäßig krass unterlegen und sah sich einer großen Gruppe von extrem gewaltbereiten, mit Eisenstangen, Holzlatten und Steinen bewaffneten Männern gegenüber. Im Verlauf des Nachmittags gelang es, 300 Einsatzkräfte in Bad Cannstatt zusammenzuziehen, die die Lage dann recht souverän in den Griff bekamen.

Hätte man also von Anfang an viel mehr Polizei vor Ort gebraucht? Es habe keine Hinweise gegeben, dass die Situation derart eskalieren könne, sagt dazu Carsten Höfler, Vizepräsident der Polizei Stuttgart. Allein im vergangenen Jahr habe es fünf vergleichbare Veranstaltungen von Eritreern in Stuttgart gegeben, alle seien störungsfrei verlaufen. Vom Ausmaß und der Intensität der Gewalt am Samstag sei man daher völlig überrascht worden. „Wir sind zum Prellbock geworden in einem ethnischen Konflikt“, sagt Höfler. „Wer gegen uns so vorgeht, geht gegen den deutschen Staat vor. Wir werden darauf eine passende Antwort haben.“ Er werte es als großen Erfolg, dass es trotz der widrigen Umstände gelungen sei, 228 Personen „und damit nahezu alle Tatverdächtigen“ festzunehmen. Gegen sie werde wegen schweren Landfriedensbruchs, schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung und Diebstahls ermittelt. Die Polizei hat, um die Vorgänge aufzuklären, eine 15-köpfige Ermittlungsgruppe ins Leben gerufen.