Katharina Maier lässt sich bei einem türkisch-stämmigen Unternehmer ausbilden, Marcos Angas hat seine Ausbildung zum Hotelfachmann schon hinter sich. Foto: Leif Piechowski

Die IHK Region Stuttgart will angesichts des Fachkräftemangels mehr Migranten in die duale Ausbildung bringen und bietet eine neue Beratungsstelle an. Bei der Berufswahl der Jugendlichen werden die Eltern stark miteinbezogen.

Die IHK Region Stuttgart will angesichts des Fachkräftemangels mehr Migranten in die duale Ausbildung bringen und bietet eine neue Beratungsstelle an. Bei der Berufswahl der Jugendlichen werden die Eltern stark miteinbezogen.

Die Ausbildungssituation vor 30 Jahren: 35 Bewerbungen, 34 Absagen. Als Gürkan Gür (44) sich Mitte der 1980er Jahre in Stuttgart um eine Ausbildung zum Hotelfachmann bemühte, verzweifelte er fast. Seine Eltern wünschten ihm eine Karriere in der Hotelfachwelt. „Gehe später in die Türkei und werde erfolgreich“, sagten sie, als er sie nach der Mittleren Reife um Rat fragte. „Schon damals hatten Migranten Probleme, eine Lehrstelle zu finden“, sagt Gür, der heute Hoteldirektor in Stuttgart ist und ausbildet. Viele seiner Gäste sind aus dem Ausland. Daher stellt Gür bewusst Migranten ein. Die Hotellerie schätzt Türkisch, Spanisch oder Italienisch sprechende Mitarbeiter.

Die Ausbildungssituation heute:
Aus Sicht der IHK Region Stuttgart haben zu wenige Migranten eine Ausbildung. „Bis 2030 braucht Baden-Württemberg im Durchschnitt 204 000 Fachkräfte. Wir müssen jede Chance zur Ausbildung von Jugendlichen nutzen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. Nach Schätzungen haben von den etwa 45 000 Lehrlingen 13 Prozent einen ausländischen Pass. Bei der Handwerkskammer Region Stuttgart sieht esetwas besser aus: 20 Prozent der 10 196 Lehrlinge besitzen einen ausländischen Pass.

Auszubildende mit einem deutschen Pass aber mit ausländischen Wurzeln werden nicht gesondert erfasst. Für die Handwerkskammer spielt der Pass keine Rolle. In der Imagekampagne steht: „Bei uns zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hinwill.“ „Migranten sind für das Handwerk seit Jahrzehnten eine wichtige Zielgruppe. Sie sind extrem talentiert“, sagt Sprecher Gerd Kistenfeger. Südeuropäer seien nicht nur im Hausbauhandwerk gefragt. „Unter den Friseurmeisterinnen gibt es unglaublich viele Frauen aus Süd- und Osteuropa.“

Die Probleme:
Die duale Ausbildung gilt zwar als Aushängeschild. „Die Qualität unserer Ausbildung hat sich weltweit herumgesprochen“, sagt Kistenfeger. Laut Martin Frädrich, Geschäftsführer der IHK-Abteilung Beruf und Qualifikation, herrscht andererseits aber vor Ort noch Unwissenheit. „Die duale Ausbildung ist bei Familien mit Migrationshintergrund oft unbekannt.“ Viele wüssten nicht, dass ihre Kinder noch nach einer Ausbildung studieren können. Oder dass mehr als eine Handvoll Ausbildungsberufe existiert.

Richter stellt daneben eine mangelnde Berufsorientierung fest. Diese wirke sich bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund fataler aus als bei deutschen Jugendlichen. „Nicht in allen Kulturen hat Bildung einen hohen Stellenwert“, sagt Richter. So werde für Mädchen und junge Frauen die Rolle in der Familie höher bewertet als eine berufliche Ausbildung. „Das geht aber an der gesellschaftlichen Realität in Deutschland vorbei.“ Mit „Gedanken aus dem Mittelalter“ wird auch Gür konfrontiert.

Er erinnert sich an eine junge türkischstämmige Frau, deren Vater plötzlich im Hotel auftauchte. Seine Tochter solle nachts nicht so lange arbeiten. Jetzt ist sie Friseurin. „Die Eltern tragen die Hauptverantwortung“, sagt Gür. Sie müssten sich der anderen Werte hierzulande bewusst werden.

Die Eltern:
Hilft die IHK Migranten bei der Lehrstellensuche, bindet sie die Eltern mit ein. „Eltern haben einen großen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder“, sagt Erhan Atici. Als Leiter der „Initiative – Türkische Eltern bauen Brücken“, die das Wirtschaftsministerium mit 100 000 Euro fördert, sucht er Eltern auf. Er sensibilisiert, informiert, hilft bei Bewerbungen, stellt Kontakte zu Betrieben her. 61 von bisher 171 Migranten haben eine Ausbildung gefunden.

101 Eltern hat Atici beraten. Für türkische Eltern sei Sicherheit sehr wichtig, sagt er. „Viele wollen deshalb, dass ihr Junge in der Industrie arbeitet. Dabei ist egal, was das Kind will.“ Passt die Qualifikation dann nicht oder sind die Noten zu schlecht, bekommt der junge Bewerber nur Absagen. Und resigniert. Oder nimmt ungelernt einen Helferjob an.

Die Neue Beratungsstelle: Auch bei der neuen IHK-Anlaufstelle Kausa spielen Eltern eine Rolle. Kausa erhält vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 360 000 Euro Förderung und bringt Migranten mit Betrieben mit Migrationshintergrund zusammen, ebenso mit Organisationen und Verbänden.

Gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten junge Migranten auch in Betrieben von Menschen mit ausländischen Wurzeln, sagt Richter. „Die kulturelle Nähe von Bewerbern und Betrieben hilft oft, bestehende Hürden zu überwinden.“ Im Großraum Stuttgart bilden 1200 der mehr als 8500 ausländischen Betriebe aus. Hier gelte es auch, mögliche Berührungsängste mit dem dualen Ausbildungssystem abzubauen.