Die Tierarztpraxis soll im Erdgeschoss des früheren Postamts einziehen. Foto: Christian Kempf

Eine Tierarztpraxis zieht in Marbach in eine zentrumsnahe Gewerbeimmobilie. Das wirft bei den Räten die Frage auf, ob solche Gebäude nicht dem Handel vorbehalten sein sollten.

Früher unterhielt die BW-Bank in der Güntterstraße 7 in Marbach eine klassische Filiale mit Schalter und allem Drum und Dran. Zuletzt habe in den Räumlichkeiten im Erdgeschoss (EG) aber nur noch ein Automat gestanden, zudem habe man Beratungstermine mit Mitarbeitern vereinbaren können, berichtet Bürgermeister Jan Trost. Gegen Ende 2022 verabschiedete sich das Kreditinstitut schließlich endgültig aus dem Wohn- und Geschäftshaus in der Schillerstadt. Inzwischen wird im Erdgeschoss per Umbauarbeiten der Boden dafür bereitet, dass eine Tierarztpraxis einziehen kann. Dass das EG der Immobilie nun wiederbelebt wird, löste im Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats nun aber nicht nur Freudensprünge aus.

Plädoyer, über eine Grundsatzfrage nachzudenken

Jochen Biesinger (CDU) hob hervor, dass aktuell viel Geld dafür ausgegeben werde, die Fußgängerzone attraktiver zu gestalten. Und neben der Marktstraße sei eben auch die Güntterstraße für den Einzelhandel von hoher Bedeutung. Stimme man nun aber der Nutzungsänderung zu, könnten die Räumlichkeiten auf Dauer nicht von einem Laden besiedelt werden. Baurechtlich lasse sich das Projekt aktuell wohl nicht verhindern. Es gebe in dem Bereich bereits Präzedenzfälle. „Aber ist das die Entwicklung, die wir haben möchten?“, fragte Biesinger. Der CDU-Mann regte an, sich darüber angesichts der Millionen-Investitionen für die Wiederbelebung der Innenstadt grundsätzlich Gedanken zu machen und gegebenenfalls die rechtlichen Leitlinien zu modifizieren.

Grünen-Rat sieht Anstrengungen konterkariert

Während Biesinger sich am Ende wie SPD-Mann Dieter Zagel und Eva Zahlow von den Grünen bei der Abstimmung enthielt, ging Jürgen Waser (Grüne) als Einziger sogar einen Schritt weiter. „Ich kann dem nicht zustimmen. Das ist ein Laden in einer Größe, in der man wirklich etwas attraktives Anderes gestalten kann für die Bürger“, erklärte Waser. Zumal das Geschäftssterben anhalte, wie er betonte. Insofern passten die Pläne für das Gebäude nicht zu den immensen Anstrengungen, die man zur Wiederbelebung der City unternehme.

Mehrheit stellt sich hinter die neue Nutzung

Die deutliche Mehrheit goutierte das Vorhaben indes. Darunter auch der Bürgermeister. Jan Trost pflichtete den Bedenkenträgern zwar bei, dass man den Einzelhandel brauche. „Wir sehen aber auch solche Arztpraxen als Frequenzbringer“, betonte er. Überdies sei in dem Gebäude in der Güntterstraße 7 wieder mit mehr Publikumsverkehr als zuletzt zu rechnen. Die Dependance der Bank mit dem verbliebenen Automaten und ohne feste Öffnungszeiten „war ja zum Schluss relativ tot“. Die Tierarztpraxis am König-Wilhelm-Platz laufe wahrscheinlich sehr gut, weshalb der Bedarf nach einer Vergrößerung und einer Verlagerung in die Güntterstraße 7 bestehe. So bestehe die Hoffnung, dass die Kunden des Veterinärs ihren Besuch vielleicht mit einer Besorgung und einem Einkauf in der Stadt abrunden. „Ich glaube, das ist ebenso ein Frequenzbringer, als ob da ein Laden drin wäre“, pflichtete Ernst Morlock (SPD) bei.

Stadt ohne Handhabe

Zur Wahrheit gehört aber auch, wie Jochen Biesinger bereits vermutet hatte, dass der Ausschuss das Vorhaben ohnehin kaum hätte verhindern können. Maßgeblich sei, ob sich die Praxis in die Umgebung einfüge, erläuterte Laura Bader vom Bauamt. „Und in dem Fall haben wir ein faktisches Mischgebiet, wo eine Tierarztpraxis zuzulassen ist“, erklärte Bader.

Bekannt ist das markante Wohn- und Geschäftshaus, in dem jetzt der Weg für einen Veterinär frei ist, bei den Marbachern als „Altes Postamt“. Bis 1987 war hier laut Fenja Sommer vom Stadtarchiv das frühere Staatsunternehmen mit einer Filiale ansässig, ehe seinerzeit der Umzug in die Ecke Hermann-Hesse-Straße/Hauffstraße erfolgte.