Esa-Astronaut Matthias Maurer vor einer Raumkapsel Foto: SWR//Boaz Freund

Die TV-Dokumentation „Allein im All“ beschreibt, welchen psychischen Belastungen eine Crew bei einer drei Jahre langen Mars-Mission ausgesetzt wäre.

Mit „Der Weltraum, unendliche Weiten“ begannen einst die Folgen der Kultserie „Raumschiff Enterprise“. Die Mission: neue Welten erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. „Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

Gemessen daran ist ein Flug zum Mars ein Katzensprung, aber ohne den Warp-Antrieb des Raumschiffs wird das Unternehmen inklusive Forschungsaufenthalt auf dem Roten Planeten drei Jahre dauern. Welche Folgen die Schwerelosigkeit und die Strahlung für die Physis der Crew haben werden, lässt sich kaum vorhersagen. Klar ist jedoch, dass die Trennung von den Familien eine psychische Belastung darstellen wird.

Sind Singles besser geeignet?

Zwar mag der Gedanke naheliegen, deshalb bevorzugt Singles auf die Reise zu schicken, aber Al Holland hat die Erfahrung gemacht, dass sich der Kontakt zu den Angehörigen positiv aufs Durchhaltevermögen auswirkt: Der Nasa-Psychologe war als Berater zugegen, als im Sommer 2010 in Chile 33 Bergleute bei einem Grubenunglück 69 Tage lang eingeschlossen waren. Holland ist die zentrale Figur der fesselnden deutsch-israelischen Dokumentation „Allein im All“, er war schon bei der Nasa, als US-Präsident Reagan vor knapp vierzig Jahren den geplanten Bau einer Weltraumstation verkündete.

Mithilfe zweier Astronautinnen beschreibt Regisseur Ido Mizrahy, wie es sich anfühlt, die Familie zurückzulassen. Cady Coleman, 62, war vor gut zwei Jahrzehnten ein halbes Jahr lang an Bord der Internationalen Raumstation (ISS), ihr Sohn war damals noch ein kleiner Junge. Der Film zeigt berührende Bilder ihrer Videogespräche. Die frühere U-Boot-Offizierin Kayla Barron (34) war ebenfalls auf der ISS, sie gehört zum Artemis-Programm der Nasa und ist eine Kandidatin für die geplanten Mondflüge. Sie könnte die erste Frau auf dem Mond werden. Vielleicht fliegt sie eines Tages auch zum Mars. Kayla und Ehemann Tom, ebenfalls Soldat, sind es zwar gewohnt, eine Fernbeziehung zu führen, aber drei Jahre? Wie lässt sich der gemeinsame Kinderwunsch mit den Reiseplänen vereinbaren?

Es ist diese emotionale Ebene, die den Reiz von „Allein im All“ ausmacht. Im Vordergrund stehen nicht technische Aspekte, die berechnet werden können, sondern eine unberechenbare Schwachstelle: Wie kommt die Crew mit der Einsamkeit zurecht?

Anders als auf der ISS oder damals in Chile wird Kommunikation in Echtzeit wegen der enormen Entfernung nicht möglich sein. Außerdem kann die Verbindung auch mal für längere Zeit ausfallen. Daher sind Alternativen ersonnen worden, etwa der Austausch in einer virtuellen Realität. Schon jetzt haben die ISS-Reisenden die Möglichkeit, mit einer Künstlichen Intelligenz zu plaudern, wie die Esa-Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer demonstrieren: Ein Bildschirm zeigt das stilisierte Gesicht von Roboterassistent Simon, dessen sanfte Stimme zu positiver Stimulation führen soll.

Ein Winterschlaf würde den Energieverbrauch senken

Der Anästhesist Alexander Choukèr (LMU München) könnte sich vorstellen, die Mars-Crew während ihrer Reise in eine Art Winterschlaf zu versetzen. Das künstliche Koma würde den Energieverbrauch senken und den Flug subjektiv verkürzen. Science-Fiction-Geschichten setzen gar auf eine Tiefkühlvariante, wobei allerdings regelmäßig nicht alle wieder aufwachen.

Der Tiefschlaf, in welcher Form auch immer, hat den Nachteil, dass die Reisenden anschließend von einer Vielzahl an politischen und persönlichen Nachrichten überflutet werden. Nach der Landung auf dem Mars dürften sich weitere Herausforderungen ergeben: Im Rahmen einer Simulation auf einem Testgelände ist schon mal der Ernstfall geprobt worden. Geplant waren acht Monate, aber das Experiment musste nach einer Woche abgebrochen werden: Als ein Mann durch einen Stromschlag verletzt wurde, zerstritt sich die Crew über die Frage, ob er ins Krankenhaus gebracht werden soll.

Leben im All / Allein im All: Der Samstagabend steht bei Arte ab 20.15 Uhr ganz im Zeichen der Weltraumfahrt.