Ganztagsschule für Grundschulkinder in Baden-Württemberg: Ab August 2026 sollten Erstklässler einen Anspruch auf ganztägige Betreuung bekommen. Foto: i//Joker

Ab 2026 sollen Grundschulkinder einen Anspruch auf ganztägige Betreuung bekommen – das will der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Doch seit Wochen bewegt sich nichts. Nun stellt Kretschmann eine Forderung.

Stuttgart - Grundschulkinder sollen wie Kindergartenkinder und Kleinkinder einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bekommen. Das will der Bundestag, das wollen eigentlich auch die Länder. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will es auf jeden Fall. Doch das Gesetz liegt seit dem 25. Juni im Vermittlungsausschuss, den der Bundesrat – auch mit Zustimmung Kretschmanns und einiger SPD-regierten Ländern angerufen hat. Seither hat sich jedoch zum Bedauern Kretsch-manns nichts getan.

 

Jetzt mahnt er zur Eile. Er appelliert an die Ausschussvorsitzende Manuela Schwesig, die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, den Vermittlungsausschuss „zeitnah einzuberufen, um endlich in Verhandlungen mit dem Bund einzusteigen“. Was gar nicht gehe, sei, „das Thema bis zur Wahl auszusitzen“. Kretschmann sagte unserer Zeitung: „Wir sind uns alle einig: Die Zielsetzung des Gesetzes ist richtig. Das ist ein zentraler Baustein für mehr Bildungsgerechtigkeit und die Zukunft unserer Kinder, für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für unsere Unternehmen, die händeringend nach Fachkräften suchen.“

Kretschmann fordert eine verlässliche Finanzierung

Was die Länder und auch Kretschmann am Gesetzentwurf der Bundesregierung stört, ist die Finanzierung. „Der Bund darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen“, erklärte Kretschmann. „Wir brauchen eine dauerhaft verlässliche Finanzierung – für qualifizierte Fachkräfte, für gut ausgestattete Räume, für gute Qualität.“

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Das müsse zwischen Bund und Ländern ausverhandelt werde, wie es im Grundgesetz vorgesehen sei. Der Ministerpräsident appellierte an alle Beteiligten: „Wir müssen da jetzt Tempo machen, uns zusammensetzen und eine Lösung im Sinne der Sache finden“.

Ab August 2026 sollten Erstklässler den Rechtsanspruch bekommen, jedes Jahr soll eine weitere Klassenstufe hinzukommen, vom Jahr 2029 an hätten dann alle Grundschüler von der ersten bis zur vierten Klasse Anspruch auf acht Stunden Betreuung an allen Werktagen und vier Wochen in den Ferien. So soll die Lücke in der Betreuung geschlossen werden, die sich häufig nach dem Kindergarten mit der Einschulung auftut.

Bund und Länder sind sich bei der Kostenfrage nicht einig

Bisher bietet der Bund laut Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) bis zu dreieineinhalb Milliarden Euro an Investitionsmitteln und eine Beteiligung an den jährlichen Betriebskosten von bis zu 960 Millionen. Der Bund hatte ursprünglich vorgesehen, für den Ausbau zwei Milliarden zur Verfügung zu stellen.

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Jedoch sind Bund und Länder unterschiedlicher Ansicht über die Bedarfe und die Kosten. Der Bund nimmt jährliche Betriebskosten von 3,2 Milliarden Euro bei 820 000 zusätzlichen Plätzen an. Die Länder gehen von 4,5 Milliarden Euro und 1,1 Millionen zusätzlichen Betreuungsplätzen aus. Die einmaligen Investitionskosten schätzt das von Bund und Ländern getragene Deutsche Jugendinstitut auf bis zu 7,5 Milliarden Euro. Die Länder fordern, dass sich der Bund dynamisiert und zur Hälfte an den Betriebskosten beteiligt. Auch müsse der Aufwand höher bemessen werden. Der Bund müsse sich sowohl bei den Investitionskosten als auch bei den Betriebskosten bewegen.

Kretschmann fordert, dass sich der Bund bewegt

Kretschmann hatte die „Programmpolitik“ der Bundesregierung schon mehrfach kritisiert. Sie sei unterfinanziert, zeitlich befristet und überlasse das weitere Verfahren den Ländern. So würden bei dem vorgeschlagenen Ganztagsgesetz in der jetzigen Form fast eine Milliarde Euro an jährlichen Betriebskosten allein auf das Land Baden-Württemberg entfallen. Kretschmann fordert, dass sich der Bund sowohl bei den Investitionskosten als auch bei den Betriebskosten bewegt.

In dem Brief an die Ausschussvorsitzende Manuela Schwesig schreibt der baden-württembergische Ministerpräsident: „Wir sollten daher unverzüglich in ernsthafte Gespräche mit dem Bund einsteigen, um zu einer bislang vom Bund verweigerten fairen Verteilung der mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter verbundenen Kosten zwischen Bund und Ländern zu kommen.“

Betreuungsangebot für Kinder in Baden-Württemberg

Ganztagsgrundschule
 In Baden-Württemberg hat bereits die grün-rote Landesregierung Ganztagsgrundschulen im Schulgesetz verankert. Die Nachfrage ist allerdings verhalten. Inzwischen gibt es zwar mit 760 Schulen doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Insgesamt gibt es jedoch im Südwesten mehr als 2300 öffentliche Grundschulen.

Investitionen
Rund eine Milliarde Euro flossen nach Darstellung des Staatsministeriums in den vergangenen zehn Jahren in den Ausbau der Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern im Land.

Horte
 Grüne und CDU haben auch die Horte stärker gefördert. Das entspreche dem Wunsch der Eltern nach flexibler Betreuung.