Eine 23-köpfige Delegation aus Stuttgart ist derzeit in Manchester und war nur 1,6 Kilometer von der Manchester Arena entfernt. Foto: Getty Images Europe

Eine 23-köpfige Delegation aus Stuttgart aus dem Aufsichtsrat der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) hält sich derzeit in Manchester auf – und ist mittendrin in einer englischen Stadt unter Schock.

Manchester/Stuttgart - Sie waren nur 1,6 Kilometer Fußweg von der Manchester Arena entfernt, als es passierte. Abendessen in einem indischen Lokal, dann durch die Altstadt zum Hotel in Manchester-Piccadilly. Dann großes Rettungswagengeheul in der Nacht. Eigentlich wollten 23 Delegierte bei der Aufsichtsratsreise der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) am Dienstag das Nahverkehrsnetz und die Maßnahmen des Luftreinhaltezone in Manchester besichtigen – doch das Programm hat sich am Dienstag, dem Tag danach, gehörig geändert.

Immerhin: Alle sind wohlauf. Seit den frühen Morgenstunden muss Jürgen Sauer, einer von drei CDU-Stadträten, besorgte Anfragen per SMS beantworten. Keine Panik, keine Aufregung in der Stadt. „Man kann sagen, dass hier so etwas wie eine britische Gelassenheit herrscht“, staunt er, als die Gruppe am Vormittag auf den Straßen unterwegs ist, „es ist zwar Polizei zu sehen, aber alles scheint entspannt, es gibt kein böses Wort.“ Doch ist das alles nur Zeichen des großen Schocks? Wie es drinnen in den Herzen aussehe, sagt Sauer, könne man freilich nicht erkennen. „Man kann sich das nicht vorstellen, wie Eltern und Angehörige jetzt damit umgehen müssen.“ Nach dem Konzert der US-Sängerin Ariane Grande gab es am Montag gegen 22.30 Uhr vor der Manchester Arena einen Sprengstoffanschlag mit Dutzenden Toten und Verletzten.

Und dann: Hubschrauberlärm überm Hotel

Christoph Ozasek von der Fraktion SÖS/Linke-plus war um 4 Uhr im Hotelzimmer vom Hubschrauberlärm geweckt worden. Bis dahin hatte man nicht viel mitbekommen von der schrecklichen Nacht in Manchester, wo sich im Bereich der Konzerthalle der Manchester Arena nach ersten Meldungen ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte.

Man hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, tags zuvor hatte man die Verkehrsanlagen und Nahverkehrssysteme in Nottingham besichtigt. Neue Niederflur-Straßenbahnen und vollelektrische Bussysteme. Und von einem Verkehrsverbund keine Spur. In Nottingham verlangt jeder Anbieter seinen eigenen Preis. Als gegen halb elf der Sprengsatz zündete, hatte man sich längst müde im Hotel aufgehalten. Zum Glück.

Vielleicht noch Präsentationen am Nachmittag?

Und jetzt: „Meine Anteilnahme am Leid der Familien, die Angehörige verloren haben oder in dieser traurigen Stunde um deren Leben bangen“, sagt Ozasek. Da ist er sich mit allen einig, fraktionsübergreifend. Eigentlich wollte der SSB-Aufsichtsrat, begleitet von den drei Vorständen Wolfgang Arnold, Stefanie Haaks und Sabine Groner-Weber, das Konzept des Nahverkehrs in Manchester unter die Lupe nehmen. Doch das Vormittagsprogramm wurde gestrichen.

Nachmittags soll es vielleicht noch Präsentationen bei den örtlichen Verkehrsbetrieben geben. „Aber wir haben volles Verständnis, wenn andere Dinge wichtiger sind“, sagt Jürgen Sauer. Luftreinhaltezone – wie macht das Manchester? Wie soll 2040 der Nahverkehr in der 520 000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Englands aussehen? Das alles verblasst hinter dem Anschlag.

Die aktuellen Erkenntnisse zu dem Anschlag auch hier im Video.

„Beeindruckend, wie man mit der Situation umgeht“

Und doch herrscht relative Ruhe in der Stadt, findet Christoph Ozasek. „Alles wirkt normal“, sagt er, „es gibt zwar sichtbar Polizei, aber keine Sperren, keine Kontrollen.“ Man hat gehört, dass ein Bahnhof gesperrt sei und der Bahnverkehr nach einem Notfallplan umgeleitet werde. Auf einem großen Bildschirm auf einem Platz werden Telefonnummern eingeblendet, bei denen man sich melden kann, wenn Angehörige vermisst werden.

Am Mittwoch will die 23-köpfige Delegation die Heimreise nach Stuttgart antreten. Dort, wo man erst am Sonntag noch ein Fanfest mit 40 000 Leute auf dem Wasen veranstaltet hatte. Vor Manchester. „Das ist alles sehr beeindruckend, wie die Leute mit der Situation umgehen“, sagt Jürgen Sauer noch. „Dieser Tag wird uns nachhaltig in Erinnerung bleiben.“