Fotoprobe zu „Angela I.“ in Bremen: Silke Buchholz als Angela Merkel, Markus Seuß (rechts) in der Rolle ihres ehemaligen Fahrers. Foto: dpa

Angela Merkel hat schon viele Hochs und Tiefs hinter sich. Nun ist sie auch noch Titelfigur eines Theaterstücks: Die Shakespeare Company in Bremen hat „Angela I.“ von Katja Hensel uraufgeführt.

Bremen - Deutschland in naher Zukunft. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht mehr an der Macht. Als ihr Fahrer, gespielt von Markus Seuß, eines Tages der Ex-Kanzlerin begegnet, macht er Selfies. Sie rauchen. Silke Buchholz in der Rolle der Kanzlerin erinnert sich - offenbar in Anspielung auf die Merkel-Raute - wie vorsichtig sie habe taktieren müssen, um ein rohes Ei ohne Schale nicht zu zerdrücken. Der Fahrer wiederum gibt ihr mit Blick auf die Reichstagskuppel den Tipp, ihren Kuppelkopf zu lüften.

Seit 28. Februar 2019 zeigt die Bremer Shakespeare Company im Theater am Leibnizplatz die Uraufführung „Angela I.“. Das Theaterstück sei keine Abrechnung mit Merkel, sagt Autorin Katja Hensel, die zuvor Stücke über die Europäische Union verfasst hat. „Wir sind keine Merkel-Verteufler. Mich interessiert die Ohnmacht in der Macht.“ Das Schauspiel solle ein Katalysator sein, um über Hass und Politikverdrossenheit nachzudenken. Auf den Angela-Stoff habe sie sich mit Shakespeare-Dramen wie „König Lear“ vorbereitet. Schließlich soll „Angela I.“ so etwas wie ein Königinnendrama sein.

Politiker als Umfragesklaven

Peter Lüchinger in der Rolle des Politikers A zitiert auf der Bühne Hassmails, während Frau Merkel, mal im Anzug, dann wieder im Trenchcoat, Zuschauer auffordert, mit auf die Bühne zu kommen, sich alles anzusehen, Transparenz zu erleben. Dort sind Styropor-Objekte mit Holzmaserung durcheinander gewürfelt - möglicherweise ein Hinweis auf das Chaos der Nach-Merkel-Zeit, Bilder für ein beschädigtes Land.

Das Schauspiel „Angela I.“ bewege sich auf drei Ebenen, die sich im Laufe dieses Königsdramas - ähnlich wie bei Shakespeare - vermischen, erklärt Regisseur Otteni. Es gehe um Merkel, um Politiker als Umfragesklaven, die wie beim Fußball fraktionsübergreifende Freundschaften pflegen, und um die Kita des Bundestages mit Bauklötzen und Bobby-Cars.

Komik mit Tiefe

„Wir haben aus dem Shakespeare-Humus geschürft“, erinnert sich Otteni. „Ich habe Sympathien für Merkel. Doch schon Shakespeare hat Könige mit einem weiten Horizont und großen Gedankengebäude gezeigt, die trotzdem gescheitert sind.“ Anders als etwa bei dem Kabarettisten Mathias Richling gehe es hier, in Bremen, nicht um schnelle Lacher, sondern um Komik mit Tiefe.

„Die Leute wollen Raute, Raute und die runter gezogenen Mundwinkel. Wir wollen Fiktion und Theater“, sagt Merkel-Darstellerin Buchholz. Vor zwei Monaten habe sie erfahren, dass sie Kanzlerin wird, und sich sofort in Merkels Biografie, Interviews und Videos vertieft: „Ich bin kein Merkel-Fan und trotzdem beeindruckt von ihrem Pragmatismus, ihrer Kraft, ihrer Ausdauer.“

Lachen von unten nach oben

Politikbeobachter wie Andreas Klee, Direktor des Zentrums für Arbeit und Politik der Universität Bremen, zeigen sich wenig überrascht von dem Bremer Angela-Event. Die Kanzlerin habe sich immer so „durchgemerkelt“, sagt Klee. Was sie hinter ihrer eher nüchternen Fassade denke, bleibe oftmals im Verborgenen. „Das bietet natürlich größere künstlerische Freiheiten und Projektionsflächen als etwa bei einem Donald Trump“, sagt er.

Dass in „Angela I.“ auch gelacht wird, ist für den Kulturwissenschaftler Rainer Stollmann selbstverständlich: „Lachen war schon immer gegen Autoritäten gerichtet: Früher hat man über Papst und König gelacht, heute über Politiker. Lachen geht immer von unten nach oben.“